Petkovic: „Tennis in Deutschland ein schlafender Riese“

Vor vier Jahren stürmte Andrea Petkovic in die Top Ten und löste einen neuen Tennis-Boom in Deutschland aus. Doch dann wurde die Darmstädterin von vielen Verletzungen gestoppt. Dank Sabine Lisicki reden nun wieder alle über Tennis.

Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa spricht Petkovic darüber, ob sie wieder an einen Hype glaubt, was sie selbst dafür tun kann und wie ihre Ziele für den Rest des Jahres aussehen. Und natürlich über ihren Lieblingsverein Eintracht Frankfurt.

dpa:Bei kaum einem anderen Sportler ist die Frage angebrachter als bei Ihnen: Wie geht es Ihnen?

Petkovic (lacht):„Mir geht es sehr gut. Ich hatte etwas Angst vor Rasen, weil ich wusste, dass das Knie da besonders anfällig ist. Am Anfang habe ich auch ein bisschen meine Patellasehne gespürt, aber dann ging es weg. Und da war ich extrem froh. Körperlich fühle ich mich echt super. Ich muss jeden Tag meine Präventionsübungen machen, aber wenn ich das durchziehe, habe ich keine Probleme.“

Tennis ist derzeit in aller Munde. Glauben Sie, dass der Boom von langer Dauer sein wird?

Petkovic:„Ich hoffe es. Ich glaube, dass ganz viel an uns selbst liegt. In erster Linie jetzt natürlich erst einmal an Sabine Lisicki, weil die breite Masse Sabine jetzt als Gesicht dieses Booms wahrnimmt. Aber ich glaube, wenn wir jetzt alle zusammen in den nächsten sechs Monaten gute Ergebnisse abliefern, dass wir dann eine höhere Aufmerksamkeit generieren und halten können. Das wäre natürlich super für unseren Sport, weil ich einfach glaube, dass Tennis in Deutschland nach wie vor ein schlafender Riese ist. Es wird niemals wieder so werden wie zu Zeiten von Graf und Becker, aber ich bin überzeugt davon, dass es wieder so kommen wird, dass man die Grand Slams bei den Öffentlich-Rechtlichen sehen kann.“

Wie haben Sie denn die Diskussion rund um die Übertragungen vom Finale in Wimbledon verfolgt?

Petkovic:„Also ich habe ehrlich gesagt gedacht, dass die ARD das zeigt. Ich als Tennisspielerin hätte das auch sofort unterschrieben, weil es natürlich gut für unseren Sport gewesen wäre. Auf der anderen Seite kann ich aber auch Sky total verstehen, die das seit ein paar Jahren richtig gut machen. Und aus unserer Sicht habe ich auch gedacht, hm, eine Sabine kommt ja nun auch nicht völlig aus dem Nichts.“

Was können Sie denn konkret tun, um den Boom am Leben zu halten?

Petkovic:„Neben eigenen Erfolgen ist es denke ich vor allem wichtig, dass wir Showkämpfe und Turniere in Deutschland spielen. Dass die Leute die Möglichkeit haben, uns zu sehen. Es ist nun mal etwas ganz anderes, ob man etwas live oder im Fernsehen sieht. Von daher glaube ich, ist es entscheidend, dass wir die Live-Frequenz in Deutschland erhöhen.“

Die ständigen Vergleiche mit Steffi Graf und Boris Becker: Sind diese Ansporn für Sie oder nervt das auch manchmal.

Petkovic:„Die Vergleiche sind Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite ist es natürlich eine Riesenehre für uns alle, mit Ihnen verglichen zu werden. Steffi und Boris sind nicht nur Champions, das sind Legenden. Andererseits ist es aber auch bitter, weil wir nie das erreichen werden, was sie erreicht haben. Auch wenn ich jetzt bis zum Ende meiner Karriere alle Grand-Slam-Turniere, die ich spiele, gewinne - was eher unwahrscheinlich ist - werde ich nicht so viele Grand-Slam-Titel holen wie Steffi. Deswegen ist es einfach zu viel Bürde und Last, die auf uns geladen wird. Selbst wenn eine von uns einmal ein Grand-Slam-Turnier gewinnt, wird danach schnell die Erwartung sein, dass jetzt immer eine von uns vorne dabei ist.“

Ist diese hohe Erwartungshaltung typisch deutsch?

Petkovic:„Ich glaube nicht, dass es typisch deutsch ist. Ich denke, es hat viel damit zu tun, was die Sportler vor einem geleistet haben. Das sieht man ja auch in den USA. Jahrelang haben sie auf Andy Roddick geschimpft, dass er nur ein Grand-Slam-Turnier gewonnen hat, und jetzt trauern sie ihm nach. Er wurde immer an Agassi und Sampras gemessen und so geht es uns halt auch. Aber das ist auch ok, damit müssen und können wir leben.“

Zurück zu Ihnen: Wie fällt ihre Halbzeitbilanz von 2013 aus?

Petkovic:„Ich bin superzufrieden. Das Problem ist, man denkt, wenn man verletzt ist, ist das die schlimmste Zeit. Aber wenn mann dann in seinem Comeback drin steckt, geht das Gejammer eigentlich erst richtig los. Wenn man so spielt, wie man es nicht von sich gewohnt ist und gegen Spielerinnen verliert, die man normal schlagen müsste. Von daher bin ich jetzt echt zufrieden, am Ende mit den Turnieren in Marseille und Nürnberg den Durchbruch für mich geschafft zu haben, dass ich das Gefühl habe, wieder die Spielerin werden zu können, die ich mal war. Daran habe ich nicht immer ganz geglaubt.“

Welche Ziele haben Sie sich für den Rest des Jahres gesetzt?

Petkovic:„Ich möchte da hin, wo ich schon einmal war und traue mir das auch absolut zu. Dieses Jahr ist ein Stabilisierungsjahr. Mein nächstes Ziel ist es, wieder in die Top 32 zu kommen, damit ich bei den Grand-Slam-Turnieren gesetzt bin. Aber ich lasse das alles auf mich zukommen. Wichtig ist, dass der Körper weiter mitspielt.“

Sie trainieren nach den vielen Verletzungen nun etwas weniger. Haben Sie bereits Vertrauen in die neue Systematik gefunden?

Petkovic:„Ja, so langsam komme ich damit zurecht. Ich habe gelernt, die Zeit, die ich auf dem Court bin, so intensiv zu nutzen, wie noch nie. Das klappt sehr gut. Ich mache außerdem kein Krafttraining mit Gewichten mehr, sondern nur noch mit Bändern. Insgesamt fühle ich mich sehr gut. Und ich habe so viel Zeit wie noch nie.“

Was machen Sie mit der neuen Freizeit?

Petkovic:„Ich habe unglaublich viel gelesen in den vergangene Wochen. Zuletzt war es das neue Buch von Umberto Eco, davor eines von einem serbischen Autor. Und ein bisschen studiere ich auch noch nebenbei, Philosophie und Literatur. Aber ich werde wohl keine Klausuren mehr schreiben, weil die Termine sehr ungünstig liegen und zum Beispiel immer in die erste Woche der US Open fallen. Ich mache das mehr für meinen Kopf, damit ich nicht total verblöde.“

Kein Interview ohne eine Frage zu Eintracht Frankfurt. Was trauen Sie ihrem Lieblingsclub in der neuen Saison zu?

Petkovic:„Wir werden natürlich Europapokal-Sieger... Nein, im Ernst. Es wird sicher nicht so ein grandioses Jahr wie zuletzt, aber ich glaube trotzdem, dass wir überraschen und nicht komplett abstürzen werden. Ein guter Mittelfeldplatz ist drin und in der Europa League werden wir die Gruppenphase erreichen.“