Pleite der deutschen Tennis-Damen: Auch Petkovic raus
Melbourne (dpa) - Andrea Petkovic kämpfte auf dem Platz mit den Tränen. Die frustrierte Bundestrainerin Barbara Rittner sprach von einem „Riesen-Rückschritt“.
Nach einer völlig unerwarteten Pleitenserie zum Auftakt der neuen Tennis-Saison hat die Fed-Cup-Teamchefin in Melbourne von ihrem vermeintlichen Top-Trio eine schonungslos-selbstkritische Analyse des kollektiven Erstrunden-Scheiterns bei den Australian Open gefordert.
Einen Tag nach den Niederlagen der Weltranglisten-Neunten Angelique Kerber und der früheren Wimbledon-Finalistin Sabine Lisicki verabschiedete sich auch Petkovic als Nummer 13 der internationalen Branchenwertung frühzeitig vom ersten Grand Slam des Jahres 2015. Für die einzig erfreulichen Ergebnisse aus deutscher Sicht sorgten am zweiten Tag Routinier Benjamin Becker, Qualifikant Matthias Bachinger und Fed-Cup-Spielerin Mona Barthel mit ihren Erstrunden-Siegen.
„Gestern war schon ernüchternd, das habe ich noch gar nicht so richtig verarbeitet, und dann auch das noch“, sagte Rittner gewohnt offenherzig, als sie sich nur wenige Minuten nach dem 7:5, 6:7 (4:7), 3:6 von Petkovic gegen Madison Brengle aus den USA den Fragen der deutschen Journalisten stellte. Auf einer Steinmauer an einem Seitengang der Rod-Laver-Arena hockte die Bundestrainerin im Schatten und war sichtlich um Contenance und eine reflektierte Analyse bemüht, obwohl sie wohl am liebsten laut geflucht und geschimpft hätte.
Zweieinhalb Monate nach dem verkorksten Fed-Cup-Endspiel in Tschechien stehen ihre Führungskräfte vor einer ganz neuen Situation und Herausforderung. Erstmals seit den Australian Open im Jahr 2007 erreichte keine Spielerin aus dem Trio Kerber, Petkovic, Lisicki bei einem Grand-Slam-Turnier die zweite Runde. Einen derartigen Tiefpunkt der Spitzenakteure hat das deutsche Damen-Tennis seit Jahren nicht erlebt.
Die so ehrgeizige Lisicki, die vor sieben Jahren just in Australien verkündete, die Nummer eins der Welt werden zu wollen, stagniert seit längerer Zeit und ließ zuletzt eigentlich nur in Wimbledon, im Doppel, mit ihrem Aufschlag-Weltrekord oder der rekordverdächtigen Zahl an Trainerwechseln aufhorchen. Jetzt darf es ihr ehemaliger Mixed-Partner Christopher Kas probieren. Im Jahr 2015 ist Lisicki aber ebenso wie ihre Teamkollegin Petkovic noch ohne Einzelsieg.
Die 27 Jahre alte Darmstädterin, eine der intelligentesten und sympathischsten Figuren im Tennis-Zirkus, gab gegen die Nummer 64 der Welt eine 5:3-Führung im zweiten Satz noch aus der Hand. Nach dem verlorenen Tiebreak entglitt ihr völlig die Kontrolle über das Spiel. „Mir hat in den entscheidenden Momenten das Selbstbewusstsein gefehlt“, analysierte die Hessin. In Brisbane und Sydney war sie in der ersten Runde gescheitert, bei ihren Trainingseinheiten im Melbourne Park wirkte sie angespannt und unsicher. Noch immer wird sie von Vater Zoran trainiert, obwohl sie seit langem auf der Suche nach ist nach jemandem, an „den oder die ich große Erwartungen habe“.
Bei Kerber bleibt zu hoffen, dass das 4:6, 6:0, 1:6 gegen die Rumänin Irina-Camelia Begu einen Tag nach ihrem 27. Geburtstag in die Kategorie Ausrutscher einzuordnen ist. Immerhin hat sich die Weltranglisten-Neunte aus Kiel seit mehr als zwei Jahren in den Top Ten der Welt etabliert - doch auch ihr fehlt bei den ganz großen Turnieren noch der ganz große Erfolg. „Sie müssen jetzt alle in sich gehen und mit ihren Teams die Fehler besprechen und analysieren“, sagte Rittner und forderte von ihren Spielerinnen eine Aufarbeitung der Niederlagen und eine kritisch-konstruktive Selbstanalyse.
Schon Anfang Februar steht ja in Stuttgart das Viertelfinale im Fed Cup gegen die Australierinnen an - beileibe kein Selbstläufer für Kerber, Petkovic & Co. „Das ist eine wahnsinnig gefährliche Partie“, sagte Rittner. Insgeheim hofft die 41 Jahre alte Wahl-Kölnerin aber auf eine Art „Schocktherapie“ und einen Jetzt-erst-recht-Schwung für den Teamwettbewerb. „Das war jetzt ein Riesen-Rückschritt, ist aber auch eine große Chance, daraus zu lernen“, sagte Rittner.
Dazulernen können in der zweiten Runde noch Becker, Bachinger und Barthel - gegen durchaus attraktive Gegner. Der 33 Jahre alte Becker trifft auf den gleichaltrigen australischen Dauerbrenner Lleyton Hewitt. Bachinger bekommt es mit dem unbequemen Linkshänder Jarkko Nieminen aus Finnland zu tun, und Barthel spielt gegen die tschechische Wimbledon- und Fed-Cup-Siegerin Petra Kvitova.