Rezepte für nachhaltigen Tennis-Aufschwung gesucht

London (dpa) - Sabine Lisicki hat in Wimbledon die Saat für einen neuen Tennis-Boom in Deutschland gelegt. Nun werden fieberhaft Rezepte gesucht, wie aus dem kurzen Hype ein langfristiger Aufschwung werden kann.

Denn nach dem Rücktritt von Steffi Graf und Boris Becker im Sommer 1999 führte der „weiße Sport“ hierzulande lange ein Schattendasein. Doch plötzlich bietet sich die Chance für eine Rückkehr ins Rampenlicht. „Wir sind mehr als glücklich über diese Entwicklung. Wir haben eine sehr gute Visitenkarte hinterlassen“, bilanzierte DTB-Präsident Georg von Waldenfels.

Bei aller Freude über „Boom Boombine“ Lisicki: Der Chef des Deutschen Tennis Bundes (DTB) macht keinen Hehl daraus, dass er nicht rundum zufrieden ist. Die Spiele aus dem All England Club waren im Pay-TV versteckt, nur eine Minderheit der Fernsehzuschauer konnte Lisickis faszinierenden Siegeszug live verfolgen. „Ich hätte mir doch sehr gewünscht, dass ein öffentlich-rechtlicher Fernsehkanal diese Spiele rausgekauft hätte“, sagte von Waldenfels der Nachrichtenagentur dpa.

ARD-Sport-Koordinator Axel Balkausky zeigte sich wenig begeistert über die Art des Vorstoßes. Er sei „sehr darüber erstaunt, von Herrn von Waldenfels über die Presse zu erfahren, wie er sich den Umgang mit Tennis vonseiten der öffentlich-rechtlichen Sender vorstellt“. Die direkte Kommunikation sei ihm lieber und „weitaus erfolgversprechender“. Eine kurzfristige Berichterstattung aus England war nicht möglich. „Im Fall von Wimbledon lagen die Lizenzrechte bei Sky, weswegen es keine Grundlage gab, live über die Erfolgsserie von Sabine Lisicki zu berichten“, erklärte Balkausky.

Mit Blick auf die drei Hoffnungsträgerinnen Andrea Petkovic, Julia Görges und Lisicki könne der DTB mit Recht den Anspruch erheben, den „Volkssport Tennis“ im öffentlich-rechtlichen TV verankert zu sehen, so von Waldenfels. Waren zu den besten Zeiten von Graf, Becker und Michael Stich den Sendern die Fernsehrechte viele Millionen wert, so sind heute meist nur noch die Spartenkanäle dabei. „Ein tragfähiges Konzept für eine perspektivische Live-Berichterstattung vom Tennis wurde der ARD bislang von Herrn von Waldenfels nicht vorgetragen“, monierte Balkausky.

Und noch eine weitere Baustelle macht von Waldenfels zu schaffen. Den deutschen Fed-Cup-Assen fehlt die Möglichkeit, sich den heimischen Fans zu zeigen. Einzig das Stuttgarter Sandplatz-Turnier, das Görges im April gewonnen hatte, ist von einer Handvoll Veranstaltungen im einstigen Boom-Land übriggeblieben. „Ein weiteres Damenturnier in Deutschland ist eine dringende Notwendigkeit“, betonte von Waldenfels. „Wir müssen da einfach nochmals nachfassen.“

Konkret hat der DTB-Präsident eine Wiederbelebung der German Open in Berlin im Auge. Das einstige Sandplatz-Turnier, bei dem die neunmalige Siegerin Graf die Zuschauer Jahr für Jahr begeistert hatte, verkaufte der DTB für rund sechs Millionen Euro an den Verband Katars. Nach einem letzten Anlauf 2008 kam das endgültige Aus. „Erst einmal braucht man einen Termin bei der WTA“, so von Waldenfels.

Während für Funktionäre und mögliche Turnier-Veranstalter die Arbeit jetzt erst richtig beginnt, konnte Lisicki ihren Höhenflug an der Church Road vor ihrem Doppel-Semifinale am Freitag stolz Revue passieren lassen. „Ich habe sehr, sehr gutes Tennis gespielt und viel Selbstvertrauen getankt“, resümierte die 21-Jährige nach dem 4:6, 3:6 im Halbfinale gegen die russische Favoritin Maria Scharapowa. „Das gibt einem die Bestätigung, dass sich die Arbeit auszahlt.“

Nach ihrem „Superturnier“ fiel der neuen Nummer 27 der Tennis-Welt „ehrlich gesagt nicht viel“ ein, was sie künftig besser machen könne. Das Wichtigste sei, Spaß zu haben und sich keinen Druck zu machen. Ohnehin war der Berlinerin das, was sie in den Tagen von Wimbledon geleistet hat, nicht ganz geheuer: „Hätte mir jemand vor ein paar Wochen gesagt, dass ich Top 30 sein werde, hätte ich das dankend angenommen.“