Tennis Zurückgekehrt als die neue Kerber

Die Siegerin der Australian Open spielt als Titelverteidigerin beim Turnier in Stuttgart.

Symbolbild

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Foto: dpa

Stuttgart. Es ist ein Tag wie aus der Werbung: Am Morgen Cluj, am Vormittag mit dem Privatjet des Sponsors von Siebenbürgen nach Stuttgart, am Mittag Pressetermine in der Porsche-Arena und: Angelique Kerbers Frisur sitzt. Es ist ein Pferdeschwanz. Die Trainingsjacke in Türkis. Die Sporthose in Schwarz. Das Lächeln in Gold. Frisch, als habe die 28-Jährige so eben nicht mit den deutschen Fed-Cup-Frauen in Rumänien mit Schwerstarbeit den Abstieg verhindert, sondern gerade schon wieder die Australian Open gewonnen. Ihr Grand-Slam-Urknall ist auch schon wieder zweieinhalb Monate her. Elf Wochen. Ein Nichts. Es brauche sehr, sehr lange Zeit, das zu verarbeiten, hatte Wimbledon-Sieger Michael Stich in Stuttgart kurz vor Kerbers Auftritt gesagt: „Ich habe es erst begriffen, als ich aufgehört habe.“ Und Angelique Kerber? „Mittlerweile habe ich realisiert, was ich in Australien gemacht habe. Es ist bei mir angekommen.“

Angelique Kerber ist zurück gekommen, ist zu Hause: in Stuttgart, beim Porsche-Tennis-Grand-Prix — „es ist mein Lieblingsturnier“. Beim dem die Nummer drei der Weltrangliste die Titelverteidigerin ist. Wie immer werden diese Woche Familie und Freunde in der Halle sein. Zudem ist sie Markenbotschafterin des Titelsponsors. Angelique Kerber ist das Zugpferd. Und lässt den Pferdeschwanz baumeln. „Nein, Angst habe ich gar nicht“, schüttelt die Blondine aus Kiel den Kopf und lächelt. „In den vergangenen Wochen habe ich viel Erfahrung gesammelt mit Druck, mit der Situation als Titelverteidigerin.“

In Charleston (USA) hatte die Linkshänderin 2015 triumphiert — und gab vor zehn Tagen im Halbfinale von einem Infekt geschwächt auf. Diese Niederlage tat nicht weh. Die ersten drei nach ihrem Coup von Melbourne schon: Beim Fed-Cup-Erstrundenspiel gegen Belinda Bencic (Schweiz/Weltranglistenplatz 11) sowie in ihren ersten Matches bei den Turnieren in Katar und Indian Wells gegen Saisai Zheng (China/73) beziehungsweise Denisa Allertova (Tschechien/64). Michael Stich sagte quasi von Nordlicht zu Nordlicht: „Ich hätte mir gewünscht, dass sie sich mehr Zeit nimmt, um alles sacken zu lassen.“

Angelique Kerber bleibt gelassen. „Es waren nur zwei Turniere, die ich ein bisschen schlechter gespielt habe. Es war ja nicht so, dass ich ein halbes Jahr nichts getroffen hätte. Ich musste da erst reinwachsen.“ Ruhiger sei sie in den vergangenen Wochen geworden, habe auf dem Platz und außerhalb zu ihrer inneren Stärke gefunden. Nicht dass das „Außerhalb“ ihr über den Kopf gewachsen wäre, „noch“ nerve das alles nicht, schließlich lebe sie ihren Traum. Doch sie breitet die Arme aus und schneidet die Luft weit rechts und weit links mit ihren Händen: So stark habe dieser Bereich zugenommen — Sponsorentermine, Verpflichtungen bei der Spielerinnenorganisation WTA, Interviewanfragen.

Der Kerber-Hype ist in Stuttgart zu beobachten. Und doch nicht. Ja, es sind mehr internationale Reporter und deutsche Kamerateams da als im Vorjahr. Nein, ihretwegen wurden nicht mehr Karten für das Turnier verkauft. Weil es immer sehr gut besucht ist (es gibt noch Restkarten für den ein oder anderen Tag). Weil die besten Spielerinnen der Welt aufschlagen (diesmal sechs aus den Top Zehn). Die Titelverteidigerin ist übrigens an Position zwei gesetzt, hinter Agnieszka Radwanska (Polen/2). Angelique Kerber versichert glaubhaft, immer noch die gleiche zu sein wie vor den Australian Open. Dennoch hat sie sich verändert. Sie ist reifer geworden. Sie sagt es so: „Ich habe gelernt, dass ich trotz der Termine Zeit für mich und für das Training finden muss. Ich muss ein paar Stunden raus, mich mit Freuden treffen, ein Buch lesen, nicht ans Tennis denken.“