Tuchel zum 100. Mal auf der Bank: „Ging rasend schnell“

In eine Schablone lässt sich Thomas Tuchel nicht pressen. Der Trainer von Mainz 05 bleibt lieber authentisch: mal lieb und nett, mal zeternd und tobend. Gegen Wolfsburg sitzt er zum 100. Mal auf der Bank.

Mainz (dpa) - Sein 100. Spiel als Bundesliga-Trainer des FSV Mainz 05 registriert Thomas Tuchel eher beiläufig. Für den gebürtigen Krumbacher ist das Jubiläum im Spiel gegen den VfL Wolfsburg eher eine Randnotiz und ohne große Bedeutung.

Schließlich reiht sich der mit 38 Jahren immer noch jüngste Fußballlehrer des Oberhauses nur ein bisschen weiter oben im Zahlenranking ein. 99 Trainer haben seit der Bundesliga-Gründung 1963 mehr Spiele als er gecoacht. An der Spitze steht der Älteste der Zunft, Otto Rehhagel, mit über 800 Spielen.

„Es ging rasend schnell, schon eine stattliche Zahl. Das hab ich als Spieler nicht geschafft, nicht mal in der 3. Liga“, meinte Tuchel. Auch die nächsten 100 Spiele sind in Mainz geplant. „Jeder weiß, wie wohl ich mich hier fühle. Wenn ich weiter den Verein sportlich beeinflussen kann, gibt es keinen Grund für Veränderung“, erklärte Tuchel, dessen bis Ende Juni 2013 laufender Vertrag noch im Sommer verlängert werden soll. 142 Punkte sammelte das von ihm betreute Team in bisher 99 Begegnungen. In einer Drei-Jahres-Wertung belegt Mainz damit den siebten Platz in der Liga.

Nach Jürgen Klopp, der sich in Mainz das Rüstzeug als Meistermacher von Borussia Dortmund erwarb, ist Tuchel der zweite Glücksgriff von 05-Manager Christian Heidel. Das Wagnis, den damaligen Trainer der A-Junioren am 3. August 2009 fünf Tage vor Saisonstart die Chefrolle als Nachfolger des Aufstiegstrainers Jörn Andersen zu übertragen, wurde ein Erfolgsmodell. Platz neun in der Premierensaison, dann das Vorpreschen auf den fünften Platz mit der Einstellung des Startrekords von sieben Siegen in Serie und dem Erreichen der Europa League. In dieser Spielzeit könnte es erstmals ein zweistelliger Rang werden.

Einen einfachen Charakter haben die Rheinhessen nicht geangelt. Die Meinung der Öffentlichkeit interessiert Tuchel wenig, die Arbeit mit den Medien ist für ihn ein zwangsläufiges Übel. Der diplomierte Betriebswirt und Vater zweier Töchter ist intelligent, umgänglich und durchaus mit Humor gesegnet. Er kann aber auch, wenn die Erfolge ausbleiben, zum „Stinkstiefel“ mutieren. Der an der Seitenlinie tobende Tuchel wurde schon zum „neuen Liga-Motzki“ erkoren.

Tuchel lebt Visionen. Für ihn ist Fußball ein Strategiespiel wie Schach. Er erfand den Matchplan, der immer die personelle Rotation ohne Ansehen der Person beinhaltet. Denn der kollektive Erfolg steht vor dem persönlichen. Als Coach eines nach wie vor finanziell am unteren Rand der Liga angesiedelten Clubs verbietet sich Tuchel nicht, groß zu denken und den FC Barcelona als Vorbild zu wählen.

In Mainz wissen sie, was sie an Tuchel haben. „Er hat Ecken und Kanten, er ist nicht angepasst, sagt, was er denkt. Das ist mir lieber als ein Weichgespülter“, sagte Manager Heidel über seinen Sportlichen Leiter, der auch nach dem 200. Spiel als Mainzer Trainer sicher nicht in eine Schablone passen wird. „Wir müssen Werte vorleben, dann wird es zur Selbstverständlichkeit“, erklärte Tuchel in einem Leitfaden für den Mainzer Nachwuchs.