Weltmeisterschaft Andreas Birnbacher hört auf
Andreas Birnbacher läuft am Donnerstag sein letztes WM-Einzel und beendet am Sonntag nach 15 Weltcupjahren seine Karriere.
Oslo. Jetzt denkt er nicht mehr an diesen Schuss. Diesen einen in Ruhpolding. 2012, bei der WM, nur wenige Kilometer von seinem Haus in Schleching entfernt. Diesen vermaledeiten letzten Schuss. Andreas Birnbacher oder die Chance, Weltmeister im Einzel zu werden. Nah ist sie, ganz nah. Doch er wird Vierter. Wie auch wenige Tage später im Massenstart. Donnerstag (15.30 Uhr/live ZDF und Eurosport) läuft Andreas Birnbacher in Oslo bei der Weltmeisterschaft seinen letzten Einzel-Wettbewerb über 20 Kilometer. Vielleicht darf er am Samstag nochmal in der Staffel dabei sein, vielleicht auch am Sonntag im Massenstart. Dann ist Schluss. Definitiv. Mit 34. „Mir ist wichtig, dass ich die Bühne mit einem positiven Gefühl verlasse“, sagt Birnbacher. Seine Bühne ist der Weltcup. 15 Jahre lang hält sich der Bayer dort. Hartnäckig. In einem Team, das konstant stark ist. „Da muss man schon was leisten“, sagt er.
Das Ende eines Abnabelungsprozesses. Ein selbst bestimmter Abgang. Das ist ihm wichtig. Zu einem Zeitpunkt, zu dem er noch mittendrin ist in der immer dichter werdenden Elite. Andreas Birnbacher mag es sich ersparen, dass die Leute über ihn reden und sagen: „Jetzt bringt er die Leistung überhaupt nicht mehr und wann hört er jetzt endlich auf.“ Gedanken an den Abschied kommen schon vor einem Jahr auf. Birnbacher spürt, es wird schwieriger. Das Mithalten in der Weltspitze, das Durchsetzen im eigenen Team. Ein (Denk-)Prozess beginnt. Doch die Lust sich zu quälen ist noch da. Ohne Training fehlt ihm etwas. Und dann ist da noch die unbeantwortete Frage, womit es danach weitergehen soll. „Da habe ich gemerkt, ich fühle mich sinnlos, wenn ich nicht weitermache und nur blöd rumhänge.“
Diese Saison läuft mit Platz 18 im Gesamtweltcup solide. Punktuell taucht Birnbacher unter den besten Zehn auf. Seine guten Leistungen in den Verfolgungsrennen fallen aber nicht besonders auf, weil die Ausgangslage nach dem Sprint keine Podestplätze mehr zulässt. Das fuchst ihn.
Nun gibt es Ziele für das Leben nach der Karriere: Da sind Frau Anna, der knapp dreijährige Luis und der sechs Wochen alte Moritz. „ Mit einer Familie und zwei Kindern ist es nicht mehr so einfach, das Training egoistisch auf sein Leben auszurichten“, sagt Andreas Birnbacher. Beim Athletentalk in Oslo berichtet der Weltmeister in der Mixed-Staffel von 2008 vor Fans offen, dass mit Kleinkindern die Regeneration leidet. Genau davon braucht ein älterer Athlet aber mehr. „Meine Frau war so ziemlich die einzige, die sich freut, dass ich aufhöre“, sagt Birnbacher. Er mag seine Lieben nicht mehr vernachlässigen. Und schon gar kein Leben führen wie Ole Einar Björndalen. Unterschiedlicher geht es nicht. „Als Einsiedler mit seinem Wohnmobil ohne Familie unterwegs zu sein, ist nochmal eine andere Nummer“, sagt der Mann, den sie Birnei rufen. „Ole ist eine Ausnahmeerscheinung. Er ist der Einzige, der in dem Alter noch ganz vorne mitlaufen kann.“
Simon Schempp ist wehmütig: „Mit niemandem habe ich mehr Kilometer trainiert, mit niemandem so viel Schweiß vergossen, mit niemandem so viel Zeit im Doppelzimmer verbracht und von niemandem so viel gelernt.“ Doch Birnbacher fühlt, dass es unglaublich schwer werden würde, nächste Saison nochmal dieses Quäntchen draufzusetzen, um seinen Anspruch zu erfüllen. Daher macht er von Oktober an in Köln sein Trainerdiplom. Erfahrung weitergeben. „Das wäre mir schon wichtig, wenn ich das alles nicht in die Mülltonne schmeißen würde“, sagt er. Bewusst ist nach Oslo Schluss. Weil sich dann der Kreis schließt. Im März 2011 holt er hier seinen ersten von sechs Weltcupsiegen. Aus privaten Gründen sitzt er damals während der Siegerehrung schon im Flieger nach Hause.
Heute ist Andreas Birnbacher frei von Verletzungen. 2007 erleidet er beim Treppensteigen einen Bänderriss, 2013 einen Innenbandriss beim Fußballspielen, 2014 folgen eine Operation am Sprunggelenk und der Bruch des Oberarmkopfes beim Rollerskifahren. Pech. Höhen und Tiefen einer Laufbahn mit sechs WM-Medaillen. „Aus den Niederlagen bin ich immer stärker geworden“, sagt Birnbacher, „für mich ist meine ganze Karriere rund.“
Im Jetzt zählen einzig die guten Erinnerungen an Oslo. Hier Adieu sagen, ist für den Biathleten cool. Etwas Cooleres kann er sich nicht vorstellen.