Die neue Leichtigkeit der Miriam Gössner
Leipzig (dpa) - Ihr unverwechselbares Lächeln hat Miriam Gössner schon vor einer Weile wiedergefunden. Auch dank Freund Felix Neureuther blickt die Skijägerin wieder optimistisch in die Zukunft.
Aber eines will sie nicht mehr machen: Sich unter Druck setzen lassen - nicht von Medien, Fans, Trainern oder sich selbst. Zu sehr hatte der größten deutschen Biathlon-Hoffnung seit Magdalena Neuner das Schicksal zuletzt mitgespielt. „Ich bin glücklich, dass ich überhaupt noch Sport machen kann. Ob man dann gewinnt, Fünfter oder Zehnter wird - es ist am Ende nur Sport“, sagt die 24-Jährige vor ihrem Comeback beim Weltcup-Auftakt in Östersund am Donnerstag im Einzel. Am Sonntag war sie in der Mixed-Staffel, die Platz drei belegte, bewusst geschont geworden.
Das strahlende Lächeln - ihr Markenzeichen - war Gössner vergangen, als sie nach einem schweren Mountainbike-Unfall im Frühjahr 2013 nur knapp dem Rollstuhl entging. Vier gebrochene Rückenwirbel zwangen sie zu einer langen Pause, trotz aller Versuche musste sie im Januar unter Tränen für die Olympischen Winterspiele in Sotschi absagen. Ein ungeheurer Rückschlag, psychisch wie physisch. „Das war natürlich schwer, aber es war die richtige Entscheidung“, sagt Gössner.
Vergessen hat sie das einschneidende Erlebnis nicht. Es hat Spuren hinterlassen, nicht nur die Narben am Rücken sind geblieben. „Ihre jugendliche Unbekümmertheit, das Draufgängerische sind seit dem Unfall ein bisschen verschwunden. Aber das ist auch nachvollziehbar“, sagte Damen-Bundestrainer Gerald Hönig, der eine weitere Veränderung bei „Miri“ ausmachte: „Sie ist in ihrer Persönlichkeit gereift.“
Nach zahlreichen anderen schweren Verletzungen und Eingriffen, wie einer Notoperation wegen einer lebensbedrohlichen Darmverschlingung und einer Kiefer-Operation, ist die Garmischerin den Umgang mit solchen Negativerlebnissen quasi fast schon gewohnt. Und sie steht immer wieder auf. „Ich glaube an den Weg, den ich gehe und den werde ich so durchziehen. Es gab Momente, wo ich nicht mehr wollte. Doch wenn ich was kann, ist es kämpfen“, erzählt sie. Dass sie keine Angst hat, zeigt auch der Umstand, dass Gössner nach wie vor mit dem Mountainbike unterwegs ist. „Ich habe auch schon öfter Ärger bekommen, weil ich viel zu schnell bergab fahre.“ Sagt sie und lacht.
Daran, dass sie wieder optimistisch nach vorne schauen kann, hat auch ihr Freund Felix Neureuther einen großen Anteil. Einen Tag nach dem Olympia-Aus überraschte der Ski-Alpin-Star sie mit dem neuen Hund Buddy. Zur Ablenkung. Zudem hinterließ der Sommerurlaub in Vietnam bei dem Paar einen nachhaltigen Eindruck, hat ihre Sichtweise verändert: „Wenn man mal mit dem Sport aufhört, ehrlich - zwei Jahre später spricht keiner mehr von einem und deshalb muss man schauen, dass man gesund ist und eine Familie und Menschen hat, die man mag. Das ist das, worauf es ankommt.“
Doch ob Gössner will oder nicht, sie wird sofort wieder im Fokus stehen. Denn in Bestform ist sie wohl derzeit die einzige deutsche Siegläuferin, die in die großen Fußstapfen Neuners treten und das deutsche Team zurück zu alter Stärke führen soll. „Ich will natürlich wieder gewinnen. Deshalb quäle ich mich ja“, sagt die dreimalige Weltcupsiegerin und legt im selben Atemzug mit ihrer neuen Leichtigkeit des Seins nach: „Wenn es nicht klappt, geht die Welt nicht unter. Ich habe keinen Zwang ein Ergebnis zu bringen.“
Die Trainer bauen keinen Druck auf. „Wir dürfen die Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Sie braucht Zeit“, mahnte Hönig: „Ich wäre froh, wenn sie sich Schritt für Schritt dem alten Niveau annähert und bei der WM im März annähernd bei ihrer alten Form ist.“
Doch trotz ihrer neuen Gelassenheit könnte es ein kleines Problem geben. Miriam Gössner ist nach wie vor ungeduldig. „Ich bin vom Typ her noch genauso, es muss alles schnell, schnell gehen. Geduld ist nicht meine Stärke“, erzählt sie und lacht herzhaft.