Magdalena Neuner: Ein Superstar geht in Früh-Rente
Chanty-Mansisjk (dpa) - Jetzt kann Magdalena Neuner machen, was sie will. Die Schinderei, das Herumreisen, der Zwang zur Disziplin und der Verzicht auf Vieles - das alles ist Geschichte. Mit gerade mal 25 Jahren verabschiedet sich die erfolgreichste Biathletin der Welt in die sportliche Früh-Rente.
Sie geht freiwillig, weil sie sich nichts mehr beweisen muss. Nun will sie leben, und wohl auch ein Stück ihrer verpassten Jugend nachholen. „Ich habe zwar schon ein bisschen das Gefühl, dass ich die Mannschaft im Stich lasse. Aber ich muss an mich denken und das tun, was gut für mich ist“, sagte Neuner. „Es gibt auch ein Leben nach dem Biathlon, und das will ich jetzt genießen.“
Kein Rücktritt hat in der jüngeren Vergangenheit die Sport-Nation Deutschland so bewegt, wie der von Magdalena Neuner. Denn mit ihr muss der deutsche Sport einen Superstar viel zu früh ziehen lassen. Und der Biathlon-Sport, die Wintersportart Nummer eins hierzulande, verliert sein Gesicht. „Mit ihr geht nicht nur ein deutscher Star, das ist ein Weltstar, der die Bühne verlässt. Sie wird nicht nur für unsere Mannschaft ein riesiges Loch hinterlassen, sondern auch für dieses gesamte Produkt Biathlon. Weil sie ist weltweit Everybody's Darling“, sagte Damen-Coach Ricco Groß, selbst mit zahlreichen olympischen Goldmedaille dekoriert.
Magdalena Neuners sportliche Bilanz ist überragend. Zwölfmal Weltmeisterin, das ist Weltrekord. Zwei Mal Olympiasiegerin, dreimal Weltcup-Gesamtsiegerin. Zudem zahllose Auszeichnungen, zweimal wurde sie zu Deutschlands Sportlerin des Jahres gewählt. Doch der Preis war hoch. Vielleicht zu hoch. 16 Jahre Leistungssport, 6500-mal zum Training fahren, 12 500 Stunden Wettkampfvorbereitung - das war die Neuner'sche Rechnung. Trotz allen Talents musste auch sie harte Arbeit in ihren Erfolg investieren. Nun hat sie keine Lust mehr: „Ich habe alle meine sportlichen Ziele erreicht und wollte auf dem Höhepunkt aufhören. Jetzt werde ich woanders Siege feiern.“
Nicht nur ihre Erfolge machten sie zu Jedermanns Liebling. Auch ihre immer charmante, eloquente und natürliche Art ließ sie zur Vorzeige-Biathletin und Sport-Millionärin aufsteigen. Den Ritterschlag bekam sie von Ole Einar Björndalen. Der norwegische Star, mit 18 WM-Titeln und sechs olympischen Goldmedaillen zumindest zahlenmäßig noch erfolgreicher als die Wallgauerin, schwärmte von „Gold-Lena“: „Für mich ist sie eine Legende.“
Der Erfolg hatte aber auch seine Schattenseiten. Neuner war spätestens seit 2007, als sie mit gerade mal 20 Jahren zur jüngsten Dreifach-Weltmeisterin avancierte, eine öffentliche Person. Gefühlt jeder wollte etwas von ihr. Interviews und Termine am Fließband, immer freundlich in alle Kameras lächeln, Fans, die im Garten stehen und an ihrer Tür klingeln. Ein Stalker kletterte sogar auf ihren Balkon. Sie war kurz vor dem Burn-Out, wie sie später bekannte. „Sport ist ein brutales Geschäft. Hätten wir gewusst, was es heißt, berühmt zu sein - wer weiß, ob mich meine Eltern wirklich gelassen hätten“, hatte sie kurz vor der Heim-WM in Ruhpolding, dem letzten Höhepunkt ihrer Karriere, gesagt. Beim Weltcup-Finale in Chanty-Mansijsk verabschiedete sie sich mit Platz sechs im Massenstart-Wettkampf von der Biathlon-Bühne.
Sich selbst bezeichnet Magdalena Neuner als Landei, manche würden sagen spießig. Sie strickt, spielt Harfe, liebt Trachten und Traditionen. Werte wie Familie gehen für sie über alles. Sie will nichts Besonderes sein, sondern eine normale Frau. Diese Normalität will Neuner nun genießen. Trotz ihres gut gefüllten Bankkontos bleibt sie bescheiden. Völlig aus der Öffentlichkeit zurückziehen wird sie sich nicht. Zwar werde sie nicht ständig in jeder Zeitung, in jeder Fernsehsendung oder in jeder Show sein. „Ich finde es ja auch schön, dass die Leute an mir interessiert sind. Ich glaube, ich wäre nicht so glücklich, wenn kein Mensch mit mir ein Interview machen möchte“, sagte die 25-Jährige.