Neuner: Kein Bundestrainer-Job, keine Rückkehr
München (dpa) - Am Samstag steigt das Abschiedsrennen von Magdalena Neuner auf Schalke. „Ich freue mich drauf. Aber ich bin etwas aufgerecht, weil es für mich komisch ist, noch einmal Biathlon zu machen“, sagt die Rekord-Weltmeisterin in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa.
Ihr Abschiedsrennen auf Schalke steht vor der Tür. Mit welchen Gefühlen fahren Sie da hin?
Magdalena Neuner: „Ich freue mich drauf. Aber ich bin etwas aufgeregt, weil es für mich komisch ist, noch einmal Biathlon zu machen. Mein letztes wirkliches Schießen war in Chanty-Mansijsk am 18. März 2012. Von daher wird es wirklich lustig.“
Haben Sie schon über Abschiedsworte nachgedacht?
Neuner: „Ja. Aber ich bin der Meinung, dass es schöner ist, es spontan zu machen, einfach aus der Emotion raus. Es soll einfach noch einmal zum Ausdruck kommen, dass es für mich eine ganz tolle Zeit war. Dass ich mich noch einmal bedanken möchte, bei den Fans, bei allen, die für mich da waren.“
Ein Drittel der Biathlon-Saison ist vorbei. Haben Sie sich alle Rennen im Fernsehen angeschaut?
Neuner: „Alle nicht, aber die meisten schon. Ich bin sehr erfreut, was ich da gesehen habe. Sie haben gezeigt, dass es auch ohne Neuner geht.“
Fiebern Sie mit?
Neuner: „Definitiv. Ich fiebere alleine schon mit, weil ich die Jungs und Mädels natürlich auch kenne, vielleicht auch die einzelnen Hintergründe, die einzelnen Befindlichkeiten, die jeder so hat. Und auch weiß, wie es sich in dem jeweiligen Wettkampf anfühlt, wie das ist, wenn man da steht an Stand 1. Von daher fiebere ich anders mit als ein normaler Biathlon-Fan.“
Also kein bisschen Wehmut?
Neuner: „Nein. Ich war selber überrascht. Der erste Wettkampf in Östersund, die Mixed-Staffel, die habe ich mir in den Kalender geschrieben. Das erste Biathlon-Rennen, ich bin extra heim und habe es mir angeschaut.“
Und dann?
Neuner: „Es war ganz normal, Biathlon im Fernsehen anzugucken. Es hat mir überhaupt nichts ausgemacht. Mein Freund saß neben mir, wir haben gemütlich Biathlon geguckt und es war vollkommen in Ordnung. Es ist auch kein Kribbeln da oder der Wunsch zu sagen, ich möchte gerne mitmachen.“
Wie sind Sie denn mit Ihren Nachfolgerinnen zufrieden?
Neuner: „Ich bin sehr zufrieden. Die hatten es richtig schwer in letzter Zeit, die mussten sich die ganze Zeit damit auseinandersetzen, wie es sein wird ohne mich. Ich glaube, dass auch die Medien ganz schön Druck gemacht haben, wenn man ganz ehrlich ist. Was ist jetzt nach Neuner, was ist jetzt mit Biathlon? Und trotzdem sind sie dermaßen gut drauf. Die Miri (Gössner), gigantisch, was die gerade leistet. Bei ihr ist der Knoten geplatzt. Es war noch einmal wichtig, dass die Miri so ein Zeichen gegeben hat.“
Können Sie es verstehen, dass Vergleiche angestellt werden?
Neuner: „Klar macht man sich Gedanken darüber, was kommt jetzt. Wen kann man als neue Lena nehmen. Ich verstehe das irgendwo, aber ich sage auch: Man könnte es den Sportlern einfacher machen. Aber aus Mediensicht verstehe ich es absolut.“
Können Sie auch die Fans verstehen, die Sie vermissen?
Neuner: „Natürlich. Ich merke das ja in der eigenen Familie, dass da viele sagen: Mensch, irgendwie ist das schon blöd, dass Du nicht mehr läufst. Irgendwie haben wir gar nicht mehr so richtig Lust, Biathlon zu schauen. Ich verstehe das total gut, aber ich finde es auch schön, dass die meisten Fans sagen: Wir bedauern es, aber wir verstehen es. Mir reicht es, dass die Akzeptanz da ist, der Respekt vor meiner Entscheidung.“
Sie haben im Mai den Trainerschein gemacht. Haben Sie Ihr Wissen schon weitergegeben?
Neuner: „Leider nein. Ich finde das etwas schade, denn ich möchte schon gerne mit Kindern zusammenarbeiten. Das wäre so ein Traum. Aber leider bleibt keine Zeit. Aber ich hoffe, dass sich das die nächsten Jahre sortiert und ich das dann regelmäßig machen kann, weil ich glaube, dass man gerade Kindern extrem viel weitergeben kann. Die sind extrem aufnahmefähig und auch begeisterungsfähig.“
Ihre Schwester ist ja auch im Biathlon-Zirkus unterwegs. Sind sie denn für sie mit Tipps und Tricks da?
Neuner: „Eigentlich wenig, weil sie das eigentlich gar nicht so will. Ich glaube, für sie ist es total wichtig, dass sie ihren eigenen Weg gehen kann. Wenn sie mich fragen würde, würde ich ihr jederzeit helfen, aber ich dränge mich nicht auf.“
Die Hypothek für Ihre Schwester muss ja ziemlich groß sein.
Neuner: „Für sie ist es nicht einfach, die Schwester von Magdalena Neuner zu sein. Sie wird leider auch immer darauf angesprochen. Wenn sie irgendwo hinkommt, rennen immer alle gleich zu ihr und sagen, du bist doch die Schwester von... Deswegen kann ich auch verstehen, dass sie sagt, sie möchte lieber ihr eigenes Ding machen.“
Können Sie sich vorstellen, irgendwann einmal als Bundestrainerin zu arbeiten?
Neuner: „Nein, definitiv nicht. Die Frage kann ich so beantworten. Es ist ein Riesenunterschied, als Kindertrainerin im Skiclub zu arbeiten oder als Bundestrainerin. Wo es wirklich wieder um Leistung, um Geld, um was weiß ich alles geht. Ich bin jetzt raus aus diesem professionellen Biathlon-Zirkus und das ist gut so. Ich habe mich bewusst dafür entschieden.“
Franziska von Almsick, eine Ihrer Vorgängerinnen als Deutschlands Sportlerin des Jahres, hat im reifen Alter angekündigt, das Abitur nachholen zu wollen. Käme so etwas auch für Sie infrage?
Neuner: „Ich habe mal so eine Phase gehabt, so mit 19, 20 - da habe ich mir die ganze Zeit überlegt, ob ich das Abitur nachholen soll. Momentan ist es für mich keine Überlegung, weil ich beruflich ganz viele Möglichkeiten sehe und viele Angebote kriege, ganz tolle Angebote, wo man nicht unbedingt das Abitur braucht. Aber wer weiß.“
Was würden Sie ihren Schützlingen sagen? Erst Sport, dann Schule oder umgekehrt?
Neuner: „Auf jeden Fall erst einmal Schule. Man muss immer sehen, mit welchen Kindern man es zu tun hat, wie alt die sind. Ob wirklich Potenzial da ist oder ob es besser ist, sich auf die Schule zu konzentrieren und das Abitur zu machen. Es muss nicht jeder Leistungssportler werden, der Sport macht.“
Im März haben Sie ihre Karriere beendet. Neun Monate später sind Sie zum dritten Mal zur Sportlerin des Jahres gewählt worden. Überrascht?
Neuner: „Ich habe mich vom Kopf her darauf eingestellt, dass wir eine Sommer-Olympiade hatten und dass der Wintersport in dem Jahr nicht so ganz wichtig war. Im Nachhinein sage ich - ok, klar, es war wieder so eine wahnsinnstolle Saison bei mir, auch noch meine letzte und dazu die Heim-WM in Ruhpolding - das war schon echt Klasse. Ich war überrascht und natürlich habe ich mich gefreut, dass ich so viele Stimmen bekommen habe.“
Was bedeutet Ihnen diese Ehrung?
Neuner: „Das ist die größte Ehrung, die man als Sportler in Deutschland erhalten kann. Und für mich ist es noch einmal etwas ganz Besonderes, weil es meine letzte Ehrung als Sportlerin war. Und noch dazu meine Dritte. Das ist einfach eine Abrundung von einer absolut perfekten Karriere. Ein schöneres Geschenk hätte man mir zu Weihnachten gar nicht machen können.“
Haben Sie seit ihrem Karriereende eigentlich nur auf dem Sofa gesessen?
Neuner: „Nein, um Gottes willen. Ich habe schon versucht, vier- bis fünfmal die Woche Sport zu treiben. Ich habe sofort nach der Saison angefangen laufen zu gehen. Wenn es irgendwie ging, war ich immer draußen. Ich bin laufen gegangen, und jetzt halt zum Langlaufen. Ich bin schon noch sportlich aktiv.“
Ist das Laufen anders als früher?
Neuner: „Ja, ich laufe meistens ohne Uhr. Das ist schon einmal ein großer Unterschied. Weil es ganz egal ist, ob ich eine Stunde oder eine Dreiviertelstunde laufe. Es ist entspannter. Ich laufe halt so durch die Gegend und mache mir Gedanken über dies und jenes. Der Sport selber ist nicht mehr ganz so wichtig.“
Wie weit sind Sie mit Ihrer Fitness-DVD?
Neuner: „Die kommt im Februar. Da ist ein Herz-Kreislauf-Training dabei, Krafttraining für Bauch, Rücken, Arme, Beine, ein Komplettprogramm halt. Als ich das erste Mal die Übungen gemacht habe, konnte ich mich den nächsten Tag nicht mehr bewegen.“
Können Sie mal kurz beschreiben, wie sich Ihr Leben verändert hat?
Neuner: „Ich weiß nicht, ob man das so einfach erklären kann. Es ist ein anderes Gefühl, definitiv. Die großen Erwartungen sind weg. Man kann auch mal Feierabend machen, man kann Abends auch mal abschalten. Man kann einfach mal Mensch sein. Die normalen Dinge des Lebens ausprobieren. Mein soziales Leben ist besser geworden. Ich habe mehr Zeit für Freunde, Familie, für meinen Freund. Insgesamt muss ich sagen, hat sich alles entspannt. Ich bin sehr zufrieden und glücklich damit.“
Aber der Terminkalender ist immer noch voll?
Neuner: „Darüber bin ich echt überrascht. Meine Familie hat schon gesagt: Jetzt machst Du noch mehr als vorher. Ich habe dann gesagt: Nee, es macht mir wahnsinnig viel Spaß. Es ist etwas Neues, kein Tag ist wie der andere. Ich probiere viele Dinge aus und ich weiß auch, dass es so nicht auf Ewigkeit sein wird. In ein paar Monaten wird es mit Sicherheit wieder etwas ruhiger werden.“
Falls Sie ein unmoralisches Angebot bekommen würden. Könnte man Sie mit einer Million Euro zurück in den Weltcup-Zirkus locken?
Neuner: „Nein. Und auch nicht für 25 Millionen.“
Vielleicht mit 50 Millionen?
Neuner: „Auch damit nicht. Das liegt daran, dass ich kein materialistischer Mensch bin. Ich gucke schon auf meine Existenz, klar. Aber Glück kann man sich nicht erkaufen. Und Zufriedenheit. Und ich bin sehr zufrieden, so wie es momentan ist.“
Sie haben gesagt, neben meinem Freund aufzuwachen, ist auch ganz schön. Gibt es denn schon Hochzeitspläne?
Neuner: „Ich weiß schon, dass da viele drauf spekulieren, dass das plötzlich ganz wichtig ist. Aber für uns ist es das nicht. Wir genießen es, so wie es gerade ist. Das ist für uns ja auch neu. Ich bin jetzt gerade ein halbes Jahr aus dem Sport raus.“
Und nun führen sie eine normale Beziehung?
Neuner: „Und das genießen wir beide. Wir haben ja auch keinen Stress, uns treibt nichts dazu, unbedingt schnell heiraten zu müssen. Alles kommt zu seiner Zeit und irgendwann wird sich der richtige Zeitpunkt finden. Und das überlasse ich ihm, dass er ihn findet. Da bin ich konservativ.“
Sind Sie auch bei der Namensfindung konservativ. Haben Sie sich darüber schon einmal Gedanken gemacht?
Neuner: „Soweit sind wir ja noch nicht. Aber manchmal denke ich mir, eigentlich kann ich meinen Namen nicht hergeben. Auf der anderen Seite wäre es mir schon auch wichtig, mal den Namen meines Freundes, meines Mannes dann, anzunehmen. Man kann da ja immer noch über einen Künstlernamen oder einen privaten Namen, den man dann beim Amt benutzt, nachdenken.“