Eisschnellläufer Baumgärtner sucht eigenen Weg
Berlin (dpa) - „Stressless“ so der Name seines Teams, doch stressfrei sieht die Zukunft für Eisschnellläufer Alexej Baumgärtner ganz und gar nicht nicht aus.
Der Chemnitzer Langstreckler sucht neue Wege für sein Training in einem niederländischen Privatteam - zum Missfallen der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG). „Ich werde trotz aller Widerstände versuchen, meinen Weg zu finden“, sagte Baumgärtner der Nachrichtenagentur dpa vor den deutschen Meisterschaften in Berlin. Die DESG hat mit der vom DOSB auferlegten Trennung von Sportdirektor Günter Schumacher und der Ausschreibung der Cheftrainer-Stelle ohnehin schon zwei Brandherde zu löschen.
Baumgärtner ist derzeit verzweifelt. „Ich kann das nicht verstehen. Es wäre eine absolute Win-Win-Situation“, schilderte der Sachse die für ihn völlig unbefriedigende Situation. Und er erinnert sich an die Anfänge des Kontakts ins Mutterland des Eisschnelllaufs: „Nach Olympia war ich traurig über meine Ergebnisse. In Chemnitz hatte ich keine Trainingspartner mehr, mein Coach Klaus Ebert ist oft mit den Sprintern unterwegs, die Bedingungen sind nicht ideal. Also stand für mich die Frage, ob es überhaupt weitergeht“, erzählte er.
So sprach er Bart Veldkamp an, den 10 000-Meter-Olympiasieger von 1992. Der war im Begriff, um den Belgier Bart Swings und mit einer Möbelfirma als Sponsor ein Privatteam aufzubauen. Nach einigen Wochen kamen positive Signale aus Holland. „Ein Trainingslager in Papendal sollte als Test dienen. Das war das Beste, was mir passieren konnte“, berichtete Baumgärtner. „Das war ein Aufbruch, ein Neubeginn.“
Nach drei Monaten Zusammenarbeit schwärmt er noch immer: „Fast jeden Tag lerne ich etwas Neues. Nach der Zeit der Unübersichtlichkeit im eigenen Land habe ich nun Einblicke in das goldene Know-how der Niederländer, die auf dem Eis von Sotschi mehr Medaillen gewannen, als das gesamte deutsche Olympia-Team“, argumentierte er. „Das deutsche Eisschnelllaufen könnte von meinem Schritt so viel profitieren.“
Noch hat Baumgärtner keinen Profivertrag unterschrieben. „Es klingt auch immer so groß: Profivertrag. Der Sponsor bezahlt Hotel und Anreise zu Trainingslagern, große Gelder kommen da nicht rum. Ich nenne es Sponsorenvertrag, würde zwei Werbelogos auf meinem Rennanzug für Stressless zur Verfügung stellen“, relativierte er.
Doch das Wohlwollen des Verbandes fehlt. „Wir können uns nicht selber schwächen, indem wir bestehende Strukturen im Land nicht nutzen“, begründete DESG-Präsident Gerd Heinze und sieht im Weg Baumgärtners einen Tabubruch. „Ein solcher Schritt könnte Schule machen.“
Baumgärtner sucht aber weiter den Kompromiss: „Ich hoffe, dass die Türen noch nicht zu sind.“ Letztlich fokussiert sich alles auf die Zugehörigkeit zur Sportfördergruppe der Bundeswehr. Laut Cheftrainer Markus Eicher muss der Athlet entscheiden: „Entweder er trainiert voll in der DESG, oder er wechselt in das Privatteam, dann aber nicht mehr als Mitglied der Fördergruppe. Eine halbe Lösung gibt es nicht“, stellte der Inzeller im Gespräch mit Team-Leiter Bart Veldkamp klar.
Baumgärtner ist über die DESG-Haltung enttäuscht: „Natürlich bin ich frustriert. Aber jetzt muss ich mich auf die Meisterschaften konzentrieren. Wenn ich mich nicht für die Weltcups qualifiziere, war alles umsonst.“ Das harte, intensivere Training hatte ihm großen Spaß gemacht, aber noch nicht den erhofften Leistungssprung gebracht. Neben Weltcupsieger Swings trainieren Shorttrack-Europameister Haralds Silovs aus Lettland und Marathon-Spezialist Karlo Timmerman in seiner Gruppe.
„Ich habe nie in Erwägung gezogen, ein DESG-Teamtraining zu versäumen. Ich will für Deutschland starten und in der Bundeswehr bleiben“, sagte Baumgärtner. Die DESG bot ihm das Training in Erfurt, Berlin oder Inzell an. „Aber den Wechsel soll ich finanzieren.“