Hörmann nimmt Eisschnelllauf-Verband in die Pflicht
Berlin (dpa) - Alfons Hörmann macht Druck, Sportdirektor Günter Schumacher räumt seine Mitverantwortung für Missstände im deutschen Eisschnelllauf ein.
Vor der wichtigen Klausur-Tagung der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft hat der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) den Fachverband aufgefordert, die versprochene Aufarbeitung der historischen Sotschi-Pleite voranzutreiben. Eine „kraftvolle Kurskorrektur“ sei notwendig, sagte Hörmann der Nachrichtenagentur dpa. Nach der Olympia-Ernüchterung ohne Medaillen wollen die Gremien und Partner der DESG auf Schloss und Gut Liebenberg nördlich von Berlin die Neuausrichtung diskutieren und Fehler schonungslos analysieren.
46 Kader-Athleten hatten unlängst in einem kritischen „Strategiepapier“ Versäumnisse des Verbandes angeprangert und zwingende Veränderungen gefordert. „Der Inhalt stimmt sehr nachdenklich und zeigt, dass vor den Verantwortlichen im deutschen Eisschnelllauf ein großer Berg von Aufgaben liegt, der dringend angepackt werden muss“, sagte Alfons Hörmann.
Die fünfmalige Olympiasiegerin Claudia Pechstein war noch einen Schritt weiter gegangen und hatte im Interview der „Berliner Morgenpost“ unverblümt den Rücktritt von Sportdirektor Günter Schumacher gefordert. Dieser räumte erstmals öffentlich eine Mitverantwortung für die Misere ein, nachdem die deutschen Eisschnellläufer in Sotschi erstmals seit 50 Jahren ohne Olympia-Medaille geblieben waren.
„Natürlich bin ich mitverantwortlich für alle sportlichen Belange“, sagte Schumacher der Nachrichtenagentur dpa. „Die Kritik ist teilweise nachvollziehbar. Zum Beispiel das erforderliche 'Controlling' konnte ich vom Zeitbudget nicht zu 100 Prozent erfüllen. Auf der anderen Seite hat die Causa CP viel Zeit und Energie in den letzten fünf Jahren gebunden“, ergänzte Schumacher.
Präsident Gerd Heinze ist sicher, dass es „personellen Konsequenzen in der DESG-Führungsriege aktuell nicht geben“ werde. Er bekräftigte, dass er selbst auch weiterhin in dem Amt bleiben wolle, das er seit 2005 bekleidet. „Ich werde in dieser schwierigen Situation nicht vorzeitig das sinkende Schiff verlassen“, bekräftigte Heinze. „Ich werde mich den Herausforderungen stellen und danach meine weitere ehrenamtliche Tätigkeit ausrichten.“
Hörmann wollte die Frage, inwieweit die DESG beim Festhalten am derzeitigen Führungspersonal sogar mit der Kürzung finanzieller Mittel rechnen muss, nicht abschließend beantworten. „Die Frage der künftigen Förderung steht und fällt sicher mit dem nun zu erarbeitenden Konzept. Erst wenn dieses auf dem Tisch liegt, können wir konkret über die künftige Förderung sprechen, denn sie muss zielgerichtet sein“, sagte der Spitzenfunktionär und machte sich für eine enge Einbindung der Athleten beim angestrebten Neuanfang stark. „Nur eine von allen Beteiligten getragenen Neuaufstellung kann Basis für zukünftige Erfolge sein“, sagte er. „Die Neuausrichtung ist Voraussetzung für einen verantwortungsvollen Umgang mit Fördermitteln.“
Auch Aktivensprecher Robert Lehmann wird langsam ungeduldig. „Wir wollen erreichen, dass sich endlich etwas bewegt“, begründete er das „Strategiepapier“, das in der DESG-Führung für einige Verärgerung gesorgt hatte. „In der Vergangenheit wurden einfach zu viele Dinge unter den Tisch gekehrt und nicht aufgearbeitet“, fügte der Erfurter hinzu. Sauer reagierte der Athletenvertreter, dass er bei den jüngsten Workshops des Verbandes nicht geladen war und auch in Liebenberg nur bei einem abschließenden Gespräch am 30. April dabei sein darf.
Heinze bewertete die scharfe Analyse aus Athletensicht als „zum Teil sehr plakativ und in dieser Form kaum zu akzeptieren. „Da werden einfach Behauptungen aufgestellt, die so nicht stimmen“, sagte er. Die heftige Kritik von Pechstein sei nicht zu überhören. „Wir kennen ihre offene Art, sich nicht durch die Blume zu äußern.“ Auch aus Sicht von Hörmann sei es „das gute Recht, der erfolgreichsten Athletin des Verbandes, ihre Sichtweise zum aktuellen Verbandsgeschehen deutlich zu machen“.