Pechstein-Kritik verärgert Trainer-Team: „Der Hammer“
Berlin (dpa) - Claudia Pechstein hat mit ihrer Kritik am Nachwuchs und den Trainern Wirbel im deutschen Eisschnelllauf-Team ausgelöst.
„Stephan Gneupel ist ein so verdienstvoller Trainer. Er ist längst 65 und ich habe ihn bekniet, damit er noch bis Olympia weitermacht. Und ihm jetzt so etwas vorzuwerfen, das ist der Hammer“, sagte Cheftrainer Markus Eicher nach der Riesenenttäuschung mit den beiden verpassten Team-Qualifikationen für Olympia verärgert. Und er fügte hinzu: „Wer das als Rentner auf sich nimmt, muss schon ein bissel verrückt sein.“
Pechstein hatte bei ihrem Rundumschlag in der „Bild am Sonntag“ Mehrkampf-Bundestrainer Gneupel nicht namentlich genannt, aber das Ziel ihrer Kritik war klar. „Viele Mädels sind nicht selbstständig genug. Viele vertrauen blind ihren Trainern. Doch bei manchen Trainern habe ich das Gefühl, dass sie im Kopf abgeschlossen haben und ihre Tage bis zur Rente zählen“, sagte sie.
Die Schuld am unerwarteten Versagen des Damen-Trios nahm Eicher allein auf sich. „Ich muss zugeben: Wir haben nicht zu viel getan, eher zu wenig“, bekannte der Inzeller. Vor Pechstein hatte auch die Berlinerin Monique Angermüller angeprangert, dass viel zu wenig im Team trainiert wurde und dies vor allem in den höheren Geschwindigkeitsbereichen. „Wie soll das denn gehen, wenn man nie zusammen trainiert?“, fragte die Mittelstrecklerin enttäuscht.
Auch Verbandspräsident Gerd Heinze warf den Trainern vor, sich zu spät um die Entwicklungen in der Team-Verfolgung gekümmert zu haben. Eicher gab zu, dass tatsächlich mehrere Trainingseinheiten geplatzt waren, weil Läuferinnen der ersten Reihe erkrankt waren oder oft überfordert wirkten. „Keine Frage: Wir haben schlecht gearbeitet, sonst wären die Ergebnisse anders“, räumte er ein.
Den Cheftrainer ärgert aber dennoch die Pechstein-Kritik am Rande des letzten Weltcups vor den Winterspielen. „Der Zeitpunkt ist denkbar schlecht. Wem nutzt das? Das bringt nur Unruhe in die Olympia-Vorbereitungen. Und diesen Ärger brauchen wir nicht“, begründete er. An Maßnahmen gegen Pechstein denkt Eicher jedoch nicht. „Wir brauchen keine Sanktionen, wir brauchen Ruhe.“
Mit 41 Jahren ist Pechstein schließlich noch immer die größte Medaillen-Hoffnung der Eisschnellläufer in Sotschi. Das allein mag Beleg sein, dass sie zumindest mit ihrer Kritik am Nachwuchs, der sich „nicht mehr quälen will“, nicht ganz so falsch gelegen hatte. Seit Jahren ist kein Junior mehr in die deutsche Spitze vorgedrungen, die Weltelite entrückt in den meisten Disziplinen immer mehr.
Während Pechstein schon ankündigte, eventuell sogar bis 2018 weiterzulaufen, werden mehrere Leistungsträger des Olympia-Teams nach Sotschi ihre Karrieren beenden. Und es bedarf keiner hellseherischer Fähigkeiten um vorauszusehen, dass die Talfahrt auf dem Eis mit immer weniger Talenten kaum zu stoppen ist, wenn nach Sotschi nicht generelle strukturelle Veränderungen folgen.