Pechstein sucht in Hamar das Positive

Hamar (dpa) - An jene Nacht in Hamar zwischen dem 7. und 8. Februar 2009 möchte sich Claudia Pechstein am liebsten gar nicht mehr erinnern. Bei der Allround-WM vor vier Jahren wurde sie vom niederländischen Mediziner Harm Kuipers wegen erhöhter Retikulozytenwerte aus dem Rennen genommen.

Im „Wikingerschiff“ begann ihr schier endloser Kampf gegen den Weltverband ISU. Hier nahm die sich anschließende Zwei-Jahres-Sperre ihren Anfang. Mit ihren Einsprüchen scheiterte sie vor allen sportrechtlichen Instanzen. Heute gilt eine ererbte Blutanomalie als Ursache für die auffälligen Werte.

„Ich versuche, da gar nicht mehr dran zu denken. Das, was in dieser Nacht geschehen ist, hätte auch irgendwo anders passieren können. Mit Hamar hat das nichts zu tun“, sagte Claudia Pechstein vor ihrer 19. Mehrkampf-WM an jenem „Ort des Schreckens“. Die Athletin, die am 22. Februar 41 Jahre alt wird, erinnert sich lieber an die schönen Momente in Hamar: „Hier bin ich zum ersten Mal Olympiasiegerin geworden, hier wurde ich zum ersten Mal Weltmeisterin über 5000 Meter. Ich habe da sehr, sehr schöne Erfahrungen gemacht. Hamar bleibt eine meiner Lieblingsbahnen.“

Doch wie schon im Vorjahr geht sie gehandicapt in ihre insgesamt 32. Weltmeisterschaften - neben den 19 Mehrkampf-Weltmeisterschaften war die Berlinerin auch schon 13 Mal bei Einzelstrecken am Start und erkämpfte bislang bei internationalen Titelkämpfen und Olympischen Spielen unglaubliche 57 Medaillen (14/28/15). Tagelang quälte sie zuletzt ein Infekt mit Halsschmerzen, Husten und Fieber, so dass die Vorbereitung alles andere als optimal verlief.

„Es ist eigentlich traurig für eine starke Eisschnelllauf-Nation, wie Deutschland es mal war, dass ich die einzige Starterin bin. Wir müssen uns in Zukunft wahrscheinlich ein bisschen daran gewöhnen, dass die Mannschaften nicht mehr so groß sein werden und die Plätze eins, zwei und drei nicht mehr so häufig vorkommen“, befürchtet die mit Abstand älteste Läuferin der Weltspitze.

Bei der EM hatte sie trotz durchwachsener Resultate auf den Langstrecken mit Platz sieben das einzige WM-Ticket für den Verband geholt und damit die erstmalige WM-Abstinenz deutscher Läuferinnen seit 1960 verhindert. Da nun zur starken EM-Konkurrenz noch die Läuferinnen aus Übersee um die Kanadierin Christine Nesbitt dazukommen, bleiben ihre Ziele angesichts der schlechten Vorbereitung eher bescheiden: „Ich hoffe, dass ich ins Finale komme.“

Etwas zuversichtlicher ist da Cheftrainer Markus Eicher. „Claudia kann im Bereich der Medaillenplätze laufen, das erwarte ich mir von ihr. Ireen Wüst läuft in einer eigenen Liga, alles andere ist machbar“, meinte Eicher nach Pechsteins viertem Platz beim Weltcup in Inzell. Die Niederländerin Wüst hat in Hamar den Titel zu verteidigen, während die dreimalige Allround-Weltmeisterin Martina Sablikova aus Tschechien wegen gesundheitlicher Probleme die Titelkämpfe abgesagt hat und sich voll auf die Einzelstrecken-WM in März in Sotschi konzentriert.

Einziger deutscher Starter bei den Herren ist der Inzeller Moritz Geisreiter, der auf dem schnellen Eis den deutschen Punkte-Rekord im Mehrkampf verbessern möchte. „Wenn er das Finale über 10 000 Meter erreicht, wäre das Wahnsinn“, sagte Mehrkampf-Bundestrainer Stephan Gneupel. „Mein Fokus liegt ganz auf der Einzelstrecken-WM in Sotschi, da kann ich mich voll auf die Langstrecken konzentrieren“, erklärte Geisreiter vor seiner ersten Teilnahme bei einer Mehrkampf-WM.