Prozess um Schadenersatz vertagt: Pechstein braucht Geduld

München/Berlin (dpa). Noch ein Küsschen für ihren Lebensgefährten, dann startet Deutschlands erfolgreichste Winter-Olympionikin im Saal 134 des Münchner Justizpalastes ihren Frontalangriff auf die Sportgerichtsbarkeit.

Drei Stunden beschäftigt sich die 37. Zivilkammer des Landgerichts München I mit dem juristisch komplizierten, aber möglicherweise hochbrisanten Fall von Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein - und vertagt sich schließlich auf den 29. Januar 2014. Erst dann - eine Woche vor dem großen sportlichen Ziel Pechsteins bei den Winterspielen im russischen Sotschi - will die Kammer über den möglichen Fortgang des Prozesses entscheiden.

Dennoch verlässt die 41 Jahre alte Athletin nach dem mit Spannung erwarteten Auftakt im Schadenersatzprozess zufrieden die für sie ungewohnte Bühne. „Ich fühle erstmals, dass man sich endlich mit meinem Fall beschäftigt. Das gibt mir ein gutes Gefühl“, sagt Pechstein, in dezentem Schwarz gekleidet, in die Fernsehkameras.

„Es war ein guter Tag. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass unsere Klage nicht umsonst war“, unterstreicht auch ihr Anwalt Thomas Summerer. Doch erst einmal haben alle Beteiligten Hausaufgaben zu erledigen: Bis zum 20. November müssen die Prozessparteien weitere Stellungnahmen abgeben, teilte die Vorsitzende Richterin Petra Wittmann mit.

Ob sich das Münchner Gericht überhaupt zuständig für die Klage Pechsteins, die mit der ersten Sperre ohne positiven Dopingbefund unfreiwillig Geschichte geschrieben hatte, gegen den Weltverband ISU und die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft DESG fühlt, bleibt am Mittwoch offen.

Ebenso die Frage, ob Pechsteins Klage auf 3,5 Millionen Euro Schadenersatz und auf ein „angemessenes“ Schmerzensgeld begründet ist. „Juristische Feinheiten“ würden in dem Fall eine erhebliche Rolle spielen, unterstreicht die Vorsitzende Richterin gleich zu Beginn. „Es ist kompliziert, aber es ist so.“

Tatsächlich geht es im hoch herrschaftlich anmutenden Gerichtssaal zum Auftakt um schwierige juristische Fragen. Welche Rolle spielt mit Blick auf Pechsteins Niederlage vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne ein Rechtsabkommen zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reich aus dem Jahre 1929? Welche Bedeutung hat wiederum ein UN-Abkommen zu Schiedssprüchen? Für Richterin Wittmann ist auch eine „Kollegialrichtlinie“ von Bedeutung.

Angestrengt versucht Pechstein, den juristischen Ausführungen der Prozessparteien zu folgen und kommt nach 70 Minuten erstmals vor dem Gericht zu Wort. „Ich habe nie gedopt“, erklärt die 41-Jährige - und legt nach: „Ich möchte, dass die Gerechtigkeit siegt.“ Ihr Anwalt Summerer, der vor 17 Jahren Sprinterin Katrin Krabbe zu 1,3 Millionen Mark Entschädigung vom Leichtathletik-Weltverband IAAF verhalf, verweist vor Gericht noch einmal auf die Bedeutung des Falls: „Wir betreten juristisches Neuland.“

Deutschlands erfolgreichste Winter-Olympionikin klagt gegen die ISU und die DESG wegen der aus ihrer Sicht zu Unrecht verhängten Zweijahressperre wegen erhöhter Blutwerte. Richterin Wittmann deutete in ihren Ausführungen am Mittwoch an, dass sie in der Klage gegen die DESG keine Erfolgsaussichten für die Pechstein-Seite sehe, da der deutsche Verband nur die Entscheidungen des Sportgerichtshofes CAS durchgesetzt hatte.

Trotz der ablehnenden Haltung der ISU regte die Vorsitzende Richterin zudem nachdrücklich einen Vergleich an. „Ich möchte den Parteien schon nahelegen, darüber intensiv nachzudenken“, erklärte sie. Pechstein hatte sich zuvor zu einem solchen Vergleich bereiterklärt, die ISU hatte dies aber kategorisch ausgeschlossen. ISU-Präsident Ottavio Cinquanta aus Italien war in München nicht anwesend.

Als Pechstein nach der dreistündigen Verhandlung mit vielen juristischen Fragen auf den Gerichtsflur tritt, geht es dann doch noch um Sportliches. Wie sie denn ihre Aussichten auf ihre sechsten Winterspiele sehe, wird Pechstein gefragt. „Ich kann ganz guter Dinge sein“, antwortet die 41-Jährige. „Ich möchte nach Sotschi!“