Neustart für kriegszerstörte Olympia-Bahn in Sarajevo
Sarajevo (dpa) - Senad Omanovic ist ein Dickschädel. Er hat sich in den Kopf gesetzt, die kriegszerstörte Olympia-Bobbahn, eines der Prachtstücke der Winterspiele 1984 in Sarajevo, wieder zum Leben zu erwecken.
Leider fehlt das Geld.
Politische Querelen, Schlamperei und Desinteresse der Behörden erschweren das Vorhaben. Immerhin hat Omanovic, einst Olympia-Teilnehmer und heute Trainer und Präsident des Rodelverbandes in Bosnien-Herzegowina, einen großen Förderer für die Idee gewonnen: den Internationalen Rennrodelverband (FIL).
Im Sommer ging es los: Erste Strecken der völlig zugewachsenen Bahn wurden vom Gestrüpp befreit, Einschusslöcher aus Kriegszeiten notdürftig gestopft, die holprig gewordene Betonschale geglättet. Der Lohn der Plackerei vieler Freiwilliger: Die slowakische Junioren-Nationalmannschaft trainierte im Herbst erstmals auf Räderschlitten wieder auf der landschaftlich spektakulär über Sarajevo gelegenen Strecke. „Die waren alle begeistert“, sagte Omanovic und war sichtlich stolz über diesen ersten Erfolg.
Immerhin rauschten die jungen Athleten mit 110 Stundenkilometern ins Tal. Zum Vergleich: Olympische Bobs bringen es auf Spitzenbahnen auf 140 km/h. Der Einstand macht hungrig auf mehr. 2015 sollen hier die nationalen slowakischen Meisterschaften stattfinden. Immerhin hatten Experten schon vor zwölf Jahren nach eingehender Inspektion der Sarajevoer Bahn grünes Licht für ihre Renovierung gegeben: Die Substanz sei in Ordnung, war damals das Ergebnis.
Der Weltrodelverband hat den Bosniern 15 Räderschlitten samt Helmen und Schuhen im Wert von 120 000 Euro geschenkt. Die Bobbahn am Königsee will 2000 Euro geben, um eine moderne Zeitmessung am Start aufzubauen. Sarajevos Partnerstadt Innsbruck spendiert für 10 000 Euro Farbe für den weißen Anstrich der Betonbahn.
An einen baldigen Weltcup-Betrieb ist aber freilich nicht zu denken. Denn für den weiteren Ausbau der demolierten Anlage fehlen die Finanzmittel, händeringend suchen FIL und die Bosnier Sponsoren. Im Winter kann nur mit Naturschnee gearbeitet werden, weil die gesamten elektrischen Anlagen im Bürgerkrieg (1992-1995) geklaut oder zerstört wurden. Als nächste Schritte sollen die Kurven wieder Holzabdeckungen erhalten. Dann soll ein Starthäuschen her. Toiletten wären auch nicht schlecht. Und an eine kleine Pension hier oben am Berg für Athleten und Touristen darf heute noch nicht einmal gedacht werden.
Die Strecke von Sarajevo ist etwas Besonderes. Sie kann als Bobbahn, als Rodelstrecke und für Skeleton genutzt werden - und das gleichzeitig. Zu diesem Zweck konnten Teile der Bahn von mächtigen Kompressoren wie eine Art Weiche verschoben werden. Die gesamte Anlage ist durch den Krieg demoliert oder verschwunden.
Aber Omanovic träumt weiter. „Die Anlage kann durchaus wirtschaftlich betrieben werden. Sie kann sogar ein Touristenmagnet werden“, meint er. In den 80er Jahren seien zum Beispiel die Bob-, Skeleton- und Rodelteams der USA einen ganzen Monat zum Training geblieben.
Das Nachkriegs-Sarajevo bietet heute ein wirtschaftlich miserables Bild. Die Arbeitslosigkeit ist horrend, die Industrie nach dem Krieg noch nicht wieder in Gang gekommen. Korruption und Vetternwirtschaft gibt es allerorten, Politiker blockieren alles und jeden durch internen Streit. Im vergangenen Februar gab es schwere soziale Unruhen, bei denen Regierungsgebäude in Flammen aufgingen. Die olympischen Skigebiete auf den Bergen Igman und Bjelasnica sind wegen Missmanagements in miserablem Zustand.
Trotz dieser Negativnachrichten glaubt Omanovic an seine Mission. „Seine“ Bobbahn soll Hoffnung bringen: Für den Sport, die Touristen, die Wirtschaft. Denn unbestreitbar ist: Die Bahn mit ihrer atemberaubenden Lage über dem Talkessel von Sarajevo und das umliegende Wandergebiet haben ein riesiges Potenzial, wie Marketingleute sagen würden. Es muss nur genutzt werden.