Rodel-„Übervater“: Trainer-Legende Sepp Lenz wird 80
Königssee (dpa) - Während des Krieges rodelte Sepp Lenz noch mit dem Rennschlitten seines Vaters den Berg hinab bis in die Schule am Königssee - dieser Tage steht er am High-Tech-Eiskanal und schaut so oft es geht den bayerischen Jungsportlern beim Training zu.
In den knapp acht Jahrzehnten dazwischen prägte er den Rodel-Sport wie kein anderer, feierte als Trainer 96 Medaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften, baute Bahnen rund um den Globus und verletzte sich zweimal schwer. Dennoch kann er nicht von der Eisrinne lassen. Der „Goldschmied vom Königssee“ wird am Sonntag 80 Jahre alt.
„Für mich war er der Übervater im deutschen Rodeln“, erzählt Georg Hackl über seinen langjährigen Coach und guten Freund, den er nach wie vor oft in der Verbands-Werkstatt in Berchtesgaden trifft. Sie plaudern dann immer ein bisschen, Hackl tüftelt an den Schlitten, Lenz bastelt an seinem Eishobel. Die beiden waren ein famoses Team, Hackl war Lenz' größter Star und sorgte mit dem Olympiasieg 1994 in Lillehammer für ein Happy End in dessen Bundestrainer-Karriere. Den Rodelsport hatte Lenz mit seiner Arbeit schon Jahre davor geprägt.
Alles begann damit, dass man am Königssee Ende der 1950er Jahre keine Rodelrennen mehr auf den vielen steilen Straßen fahren konnte, weil dort immer mehr Autos unterwegs waren. Das nervte Lenz, und er überredete den damaligen Landrat, eine Kunstbahn zu finanzieren. „Wir wollten bloß irgendwie rodeln, da waren wir scharf drauf“, sagt der Jubilar, der die Bahn zusammen mit seinem Bruder plante.
Mit einer eigenen Eisrinne vor der Haustür wurde Lenz immer stärker und 1962 Europameister. Zwei Jahre später feierten die Rodler ihre Premiere bei Olympia in Innsbruck, aber im Doppel-Wettkampf stürzte Lenz mit seinem Partner und verletzte sich schwer. Das war's als Aktiver, nach eineinhalb Jahren Krankenstand wurde er Bundestrainer und machte seine Fahrer in drei Jahrzehnten zu den besten der Welt.
Seine Leidenschaft konnte auch ein anderes Unglück nicht abschwächen, als Lenz Ende 1993 auf der Eisbahn in Winterberg beim Schneefegen von einem Schlitten erfasst wurde und einen Unterschenkel verlor. „Ich war halt eine Sekunde zu spät“, meinte er lapidar und stand weniger als zwei Monate später in Lillehammer bei Hackl wieder an der Bahn.
„Er war Trainer, Konstrukteur und Organisator in Personalunion“, sagt Hackl und erinnert daran, dass Lenz auch als Bahnbauer bahnbrechend war. Jüngst stand er sogar den Planern der Olympia-Bahn 2018 in Pyeongchang mit Rat zur Seite. Lenz' ganzer Stolz ist die Bahn in Königssee, über die er stundenlang reden könnte und dabei Anekdoten auspackt wie jene über das erste Zielhaus in einem VW-Bus. „Ich habe zwar drei Töchter, aber die Bahn gehört auch zu mir“, flachst er.
Ende nächster Woche wird der Eiskanal am Fuße des Watzmanns ohne seinen Erfinder auskommen müssen, da hat sich Lenz schon Zeit vor dem Fernseher reserviert - zur Übertragung der WM-Rennen im lettischen Sigulda. An diesem Wochenende steht erst mal seine eigene Geburtstagsfeier an, für rund 70 Leute hat der Rodel-Rentner ein Wirtshaus reserviert. „Mir geht es den Umständen entsprechend gut“, sagte Sepp Lenz, „und wenn es Feste zu feiern gibt, bin ich dabei.“