„Geiler Sport“ von Neureuther - Hirscher Gesamtsieger
Lenzerheide (dpa) - Nach dem Marathon der Siegerehrungen hatte auch Felix Neureuther eine Kugel in der Hand. Einen Tennisball, den der Hund von ihm und Freundin Miriam Gössner beim Spielen im Schnee verloren hatte.
Als der 29-Jährige bei der Zeremonie im Zielbereich in Lenzerheide für Rang drei geehrte wurde, ruhte das Tier mit geschlossenen Augen zu Füßen der Biathletin. Der dramatische Ausgang des letzten Herren-Riesenslaloms im Olympia-Winter war da gerade ein paar Minuten her.
Neureuther raste als Führender des ersten Durchgangs mit einer Hundertstelsekunde Vorsprung auf Rang drei und verdrängte damit den Österreicher Marcel Hirscher vom Podest. Hirscher durfte sich zwar über den erneuten Gesamtweltcupsieg freuen. Um auch über die Riesentorlauf-Wertung jubeln zu dürfen, fehlte ihm als Viertem das eine entscheidende Pünktchen im Zweikampf gegen Ted Ligety (USA).
„Als der Ted gesagt hat „thank you so much my friend“, hab ich gewusst: alles klar“, schilderte Neureuther den Augenblick kurz seiner Zieldurchfahrt. Ligety riss seinen Kumpel förmlich zu Boden. Wenig später posierten die beiden auch für ein Bild, auf dem der Amerikaner dem Deutschen einen Kuss auf die Wange drückte. Hirscher ließ sich erst von seiner Freundin tröstend in den Arm nehmen und stieß dann mit seinem Team auf eine viel wichtigere Trophäe mit einem Glas Sekt an. „Ich glaube, Marcel braucht nicht so traurig zu sein, er hat den Gesamtweltcup“, betonte Neureuther.
„Felix hat die Freundschaft heute arg strapaziert“, erklärte ein lächelnder deutscher Herren-Cheftrainer Karlheinz Waibel. Und beim Slalom könne Neureuther wohlmöglich mit dem Sieg im Torlauf-Klassement noch einen draufsetzen. Das wäre „definitiv“ die Krönung, sagte der am Saisonende scheidende Waibel.
Zunächst aber erklang in der Schweiz viermal die US-Hymne. Zweimal für Ligety, für Tagessieg und Rang eins im Disziplin-Wertung im Riesenslalom. Zweimal für die Amerikanerin Mikaela Shiffrin für die selben Erfolge im Torlauf.
„Es war ein großartiges Jahr“, erklärte das seit wenigen Tagen 19 Jahre alte US-Girl. Die Olympiasiegerin und Weltmeisterin verwies im wenig spannenden Kampf um den Tagessieg die Schwedin Frida Hansdotter und Marlies Schild auf die weiteren Podestränge. Barbara Wirth (Lenggries) wurde in Abwesenheit der verletzten Maria Höfl-Riesch als beste Deutsche 13. Bei den Herren durften im packenden Finish Alexis Pinturault (Frankreich) und eben Neureuther zusammen mit Ligety auf's Stockerl. Fritz Dopfer belegte Rang sechs.
„Geiler Sport“, schwärmte Waibel. „Schön, dass wir da mitmischen können, dass wir mir einer Truppe antreten, die mit um die Siege mitfahren kann.“ Und das können Neureuther und Dopfer auch im Slalom. Fünf Punkte beträgt Neureuthers Vorsprung in diesem Disziplin-Klassement auf Hirscher. Es könnte in der nach eigener Ansicht „besten Saison meines Lebens“ die erste Glaskristall-Kugel eines deutschen Alpin-Herren seit der von Armin Bittner vor einem Vierteljahrhundert werden.
Als erster Österreicher gewann Hirscher zum dritten Mal die Große Kristallkugel für den Saison-Besten. Dies war bisher nur dem Italiener Gustav Thöni (1971 bis 1973), dem Schweden Ingemar Stenmark (1976 bis 1978) und dem Amerikaner Phil Mahre (1981 bis 1983) gelungen. Nach der ersten Enttäuschung über die verpassten Riesenslalom-Pokal rang sich Hirscher dann einen Scherz ab. „In unserer Studentenbude ist eh nicht so viel Platz zum Aufstellen. Ted ist der Dominator schlechthin, Hundertstel hin oder her.“