Höhepunkt Kitzbühel: „Wie Formel-1-Fahren in Monaco“

Kitzbühel (dpa) - Kein anderes Rennen fasziniert Zuschauer, Medien und vor allem die Skirennfahrer selbst so sehr wie der 3,3 Kilometer lange Höllenritt über die Streif in Kitzbühel.

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„Es ist wie Formel-1-Fahren in Monaco. Da gibt es kein Gras und keinen Schotter als Puffer. Da fährst du in die Wand. Wir haben keine Wand, aber ein Netz“, meinte Favorit Aksel Lund Svindal aus Norwegen zur Faszination nach dem Abschlusstraining. „Dieser Kurs verzeiht keine Fehler. Es gibt viele Stellen, an denen du bei einem Fehler nicht einfach ein Tor verfehlst, sondern im Netz landest.“

Kitzbühel ist der Höhepunkt des Winters - für viele selbst in Jahren mit Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften. Ganz so radikal ist Svindal mit seiner Bewertung nicht. „Ich würde das nicht für zwei Siege woanders eintauschen. Es ist das größte Weltcup-Rennen, das wir haben. Aber ist es doppelt so groß wie jedes andere Rennen? Das glaube ich nicht“, sagte er. „Wenn ich die Wahl hätte, wo ich gewinne, dann ist die klar. Jeder will hier gewinnen.“ Im Super-G ist ihm das schon gelungen, auf der Abfahrt noch nicht.

Die Sieger von Super-G und Kombination bekommen eine eigene Gondel in Kitzbühel, Felix Neureuther könnte sich im Slalom bereits seine dritte sichern - doch der wichtigste erste Platz ist und bleibt der bei der Abfahrt. Und mit der Empfehlung von vier Saisonsiegen in der Schussfahrt ist Svindal der große Favorit. Im letzten Training wurde er bei der überraschenden Bestzeit des Italieners Mattia Casse Sechster.

Allerdings macht sich auch Österreich Hoffnungen auf einen Heimsieg. Der Gewinner von 2014, Hannes Reichelt, war schon vergangene Woche in Wengen nur 0,19 Sekunden langsamer als Svindal und hat für die Streif ein gutes Gefühl. Zudem setzen die Fans in Rot-Weiß-Rot auf das Gesetz der Serie: 1936, 1946, 1956, 1966, 1976, 1986, 1996 und 2006 gewann ein ÖSV-Athlet die Abfahrt.

Für die Gastgeber ist Kitzbühel noch mehr Mythos als für den Rest der Welt. Aber auch der im südlichen Ruhrgebiet aufgewachsene deutsche Starter Andreas Sander kann die Bedeutung beschreiben: „Für mich ist Kitzbühel immer noch die schwerste Strecke der Welt“, sagte er. „Es gibt wahnsinnige Sprünge, du brauchst wahnsinnig viel Mut.“

In keinem anderen Starthaus sei es so ruhig, erzählte Rekordsieger Didier Cuche einmal. Auch die abgebrühtesten und mutigsten wissen genau, was in den knapp zwei Minuten Streif auf sie zukommt.

Nach dem Start mit 51 Prozent Gefälle wartet schon nach weniger als neun Sekunden die Mausefalle - der weiteste Sprung mit einer Länge von mitunter 80 Metern. Über das Karussell und den Steilhang geht es mit möglichst viel Geschwindigkeit in den Brückenschuss und das Gschöss. Wenig später kommt der Seidlalmsprung. Dort ist erst Halbzeit. Lärchenschuss, Oberhausberg, Hausbergkante, Traverse und der Zielsprung folgen erst noch.

Der Lohn für die Mühen: neben Ruhm das höchste Preisgeld im Weltcup. In diesem Winter gibt es die Rekordsumme von 645 000 Euro. Auch die Strecke zu präparieren ist aufwendig und teuer, aber der Skiclub Kitzbühel scheut keine Kosten und Mühen und lässt Schnee im Zweifel auch per Helikopter einfliegen. So geschehen 2014, als ausgerechnet die für einen Kinofilm dokumentierte Auflage sogar den Hausberg umfahren musste. Zum 75. Geburtstag im vergangenen Jahr sorgte das Wetter für eine Sprint-Abfahrt.

Für Samstag hoffen nun alle auf ein Kräftemessen auf der Originalstrecke mit allen Gemeinheiten. Denn wer danach ganz oben auf dem Podest steht, der habe dies in jedem Fall auch verdient, findet Svindal: „Bei Olympia kann es auch einen Zufallssieger geben. Auf der Streif gewinnen immer die Besten.“