Rechnen verboten: Riesch vor Herzschlagfinale vorn

Lenzerheide (dpa) - Maria Riesch will bloß nicht rechnen, Lindsey Vonn fleht zum Wettergott: Der Weltcup-Showdown wird für die beiden Rivalinnen und Freundinnen zum Herzschlagfinale.

Mit ihrem vierten Platz im Slalom eroberte die deutsche Doppel-Olympiasiegerin zwar die Führung im Kampf um die Große Kugel zurück. Doch der Vorsprung auf die Amerikanerin, die 13. wurde, vor dem abschließenden Riesentorlauf am Samstag ist mit gerade mal drei Pünktchen „denkbar eng. Ich kann mich nicht erinnern, dass es die letzten Jahre so spannend hergegangen ist“, meinte Riesch und verriet ihr Rezept, um sich das erste Mal zur Gesamtweltcupsiegerin zu krönen: „Kein Rechnen, keine Gedanken machen um die Punkte, einfach Ski fahren.“

Ob die beiden Kontrahentinnen aber ihre Bretter unterschnallen können, ist beim vom Regenwetter gebeutelten Weltcupfinale im schweizerischen Lenzerheide längst nicht sicher. „Mein Problem ist, ob überhaupt ein Rennen ist. Ich kann nur Gott fragen und um Hilfe bitten“, meinte Vonn beim Sieg der Slowenin Tina Maze mit Blick zum Himmel und klagte über die Absage des Super-G, in dem sie favorisiert gewesen wäre. „Ich will meine Chance, um zurückschlagen zu können. Ich will ein Finale mit allen Wettbewerben und einen großen Kampf.“

Als sie vor die Journalisten trat, hatte die dreimalige Gesamtweltcupsiegerin ihr Lächeln wieder angeknipst. Doch im grauen Zielzelt zeigte sich ihre wahre Gefühlswelt. Zunächst pfefferte sie ihre Stöcke in die Ecke und diskutierte dann mehrere Minuten mit ihrem Ehemann Thomas. „Ich muss alle Energie und volle Konzentration haben. Ich muss schneller als Maria fahren und dann passt alles“, sagte sie.

Ganz so einfach ist die Rechnung für Vonn jedoch nicht. Sie muss im Riesenslalom auf jeden Fall vor Riesch landen. Sollte sie 10. bis 15. werden, muss sich zudem noch eine Läuferin zwischen die beiden dominierenden Alpinen schieben. Wenn sowohl Vonn als auch Riesch auf Platz 16 oder schlechter fahren, triumphiert ebenso wie im Fall einer Absage die Partenkirchenerin. „Ich baue auf die Maria, weil sie die bessere Riesenslalomfahrerin war die ganze Saison“, sagte Alpin-Direktor Wolfgang Maier. Im Schnitt verliert Vonn knapp sechs Punkte pro Rennen auf Riesch. „Ich denke, die Chance ist 50:50“, schätzte sie. „Und am Ende ist es egal, ob du mit einem Punkt oder 200 Zweite wirst.“

Nach einer Durststrecke, die auch mit dem 17. Abfahrtsplatz in Lenzerheide ihre Fortsetzung fand, zeigte sich die sonst so abgeklärte Riesch erstmals wieder dem Nervenduell gewachsen. Besonders die „andere Körpersprache“ seiner Top-Athletin lässt Maier „wesentlich optimistischer“ auf den ersten Gesamtweltcupsieg einer Deutschen seit Katja Seizinger 1998 hoffen. „Das ist eine extreme Belohnung für das ganze Team, und die Krönung für jeden Sportler.“ Die Kleine Kugel im Riesenslalom will sich Viktoria Rebensburg als Nachfolgerin von Kathrin Hölzl sichern. Bei den Herren ging diese Trophäe am Freitag an den Amerikaner Ted Ligety.

Riesch musste in Lenzerheide mit ansehen, wie Vonn sich nach der Abfahrts- auch noch die Super-Kombi- und Super-G-Kugel abholte und die amerikanische Fahne auf dem Podest schwenkte. Und wenn das Siegerbild vom Samstag im Kasten ist, soll auch die Eiszeit zwischen den beiden Jugendfreundinnen wieder beendet sein. „Ich hoffe, ich glaube, nach dem letzten Rennen sind wir wieder normal“, hatte Vonn in Lenzerheide gesagt. „Aber jetzt müssen wir beide diesen Kampf machen.“