Der Berg ruft: Weiter Diskussion um Tour-Finale
Cavalese (dpa) - Für die einen ist es das Nonplusultra des Skilanglaufs, für die anderen ein brutaler „Viehauftrieb“: Der Schlussanstieg der Tour de Ski hinauf zur Alpe Cermis polarisiert auch vor der sechsten Auflage.
Einige Aktive lächeln, wenn sie an die Höllenqual denken, die am Sonntag bei der neunten und letzten Etappe auf sie wartet. Andere haben schlichtweg Angst.
„Man kann ja nun wirklich nicht mehr sagen, dass es eine Zumutung ist. Wir haben in diesem Jahr zum zweiten Mal vor dem Finale noch ein Jedermann-Rennen. Die Leute nehmen es an und versuchen sich. Von den Athleten gibt es auch kaum noch Kritik“, sagt Tour-Erfinder und Renndirektor Jürg Capol. In einem kann er sicher sein: Wer sonst eher keine Berührungspunkte mit dem Skilanglauf hat, kennt mittlerweile die letzte Etappe der Tour de Ski. Die Öffentlichkeitswirkung ist enorm. In diesem Jahr übertragen 15 Fernsehstationen die Etappe live. Capol weiß selbst, was er den Athleten zumutet. Jedes Jahr läuft er die Etappe ab und schafft sie in einer ansprechenden Zeit.
Fakt bleibt: Die Etappe ist grenzwertig und fordert den Läufern nach harten acht Tagesabschnitten noch einmal alles ab. Erst im Ziel kann man sich sicher sein, den Aufstieg auf den 1278 Meter hohen Gipfel unbeschadet überstanden zu haben. „Man muss mit Respekt den Berg angehen, nur so nimmt man ihn ernst“, sagt Tobias Angerer. Er bereitete sich zu Weihnachten noch einmal speziell vor, lief daheim mehrfach auf die Winklmoosalm. „Ganz ohne Vorbereitung geht es nicht. So eine Anforderung gibt es sonst in der gesamten Saison nicht“, bemerkt der Vachendorfer.
Besonders im Lager der Männer hört man das Wort „Respekt“ immer wieder. 3,5 Kilometer ist der Schlussanstieg lang, 425 Höhenmeter müssen überwunden werden. Die durchschnittliche Steigung beträgt 12 bis 14 Prozent, die steilste Passage ist mit 28 Prozent angegeben. „Du darfst keine Sekunde die Konzentration verlieren, sonst kommst du aus dem Rhythmus. Es kann viel passieren am Berg“, bemerkt Axel Teichmann.
Wichtig ist, dass die Form stimmt, sonst wird der Aufstieg zur Qual. Wer sich jedoch in einem Hoch befindet, kann beim Finale noch einmal viel Boden gutmachen. Einen Nichtangriffspakt wie im Radsport gibt es auf der letzten Tour-Etappe nicht. So war im vergangenen Jahr die Norwegerin Therese Johaug drauf und dran, sich noch den Gesamtsieg zu holen. Das Leichtgewicht stürmte den Berg förmlich hinauf, während sich die meisten anderen schwertaten. „Noch 500 Meter länger und sie hätte Justyna Kowalczyk überholt“, erinnert sich Bundestrainer Jochen Behle.
Besonders für die Damen ist das Berganrennen eine Tortur. Stefanie Böhler (Ibach) spricht von einem „Viehauftrieb“. Sie hofft, trotz ihrer bisher gezeigten Leistungen, „oben noch bei Sinnen zu sein“. „Der Berg ist für die Frauen grenzwertig. Das hat mit Langlauf-Ästhetik nicht viel zu tun. Das sieht eher aus wie Bergsteigen mit Ski“, sagt Behle.
Zumindest für die Veranstalter in Val di Fiemme ist die Alpe Cermis ein Segen. Mittlerweile ist der Berg zu einer Touristenattraktion geworden. Auch am Sonntag werden wieder mehrere tausend Fans erwartet. Um sie bei Laune zu halten, gibt es auf den letzten Kilometern eine „Tour de Gusto“ mit zahlreichen kulinarischen Köstlichkeiten aus der Region.