Erfinder Capol blickt auf zehn Jahre Tour zurück

Lenzerheide (dpa) - Jürg Capol sitzt in einem weichen Sessel und sieht zufrieden aus. Dass die Tour de Ski, sein „Baby“, einmal zehn Jahre alt werden würde, hätte der Schweizer nicht geglaubt.

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Der Mann, der vor revolutionären Ideen nur so strotzt und damit den Skilanglauf aus einem Dornröschenschlaf erweckte, wird die Jubiläumstour einerseits genießen, andererseits aber auch kritisch betrachten.

Als Chef der Marketingfirma des Skiweltverbandes FIS steht er seit ein paar Jahren nicht mehr in der täglichen Verantwortung um das Wohl und Wehe des Langlaufs. Das war im Jahr 2003 noch ganz anders. Damals war Capol noch der Renndirektor der Disziplin, in der er es einst bis ins Schweizer Nationalteam schaffte. In einem Urlaub saß er mit der norwegischen Langlauf-Legende Vegard Ulvang in der Sauna und sinnierte, wie man die Sportart über Skandinavien hinaus noch mehr ins Rampenlicht hieven könnte. Angelehnt an die zu der Zeit stattfindende Tour de France der Radsportler entstand die Idee eines Mehr-Etappen-Rennens auf Ski.

Geholfen hat Capol dabei ein früheres Rennformat in seiner Heimat, die „Schweizer Woche“. „Das war ein nicht ganz ernstzunehmender Wettbewerb zum Saisonende, mit einem Punktesystem. Das Wissen zu haben, hat bei den ersten Schritten sehr geholfen“, berichtet Capol von den Tour-Anfängen. „Es ging einfach darum, den komplettesten Langläufer zu finden. Sprints, Einzelstarts, Massenstarts, Verfolgung - alles sollte bei einer Tour vorkommen. Na ja, und dann eben noch der mittlerweile mit Kultstatus ausgestattete Schlussanstieg“, erzählt er im Rückblick auf die Geburtsstunde der Tour de Ski.

„Wer den Gesamtsieg möchte, darf sich über die gesamte Zeit keine Blöße geben“, sagt Petter Northug. Der Norweger hat mit 13 Etappensiegen zwar die meisten Tageserfolge gesammelt, der Tour-Veteran läuft seinem ersten Gesamtsieg aber noch immer hinterher.

Drei bis vier Jahre hatte Capol seiner Tour gegeben. „Man plant heutzutage nicht länger. Zumal man nicht wusste, wie das Ganze ankommt. Gut war, dass am Anfang viele Fragen noch gar nicht gelöst waren. Wahrscheinlich hätte es sonst auch nicht funktioniert“, meint der 50-Jährige.

Wichtig sei gewesen, dass man die Sportler, vor allem aber auch die Sponsoren sehr schnell und ohne große Überredungskünste im Boot hatte. „Das Preisgeld von 100 000 Schweizer Franken für den Sieg lockte. Die Athleten wollten sofort wissen, was da auf sie zukommt“, berichtet Capol. Seine Ansagen überzeugten. Doch der Schweizer hielt ein entscheidendes Detail zurück: Den Aufstieg zur Alpe Cermis mit bis zu 25 Prozent Steigung. „Das habe ich nie richtig erklärt, auch nie vorher selbst getestet. Erst während der ersten Tour ist das dann wirklich durchgesickert. Und es gab einen Sturm der Entrüstung. Aber wir konnten ja nicht mehr zurück. Das erste Mal hoch zur Alpe Cermis - das war für mich der spannendste Tag in den zehn Jahren“, resümiert der Tour-Vater.

Mittlerweile ist die Tour de Ski fester Bestandteil im Kalender der FIS, und keiner der Stars der Szene verschwendet einen Gedanken daran, sie auszulassen. Sie gilt ähnlich wie die Vierschanzentournee der Springer als erster Saisonhöhepunkt. Doch das reicht Capol nicht. „Mir fehlt bei den jetzt Verantwortlichen etwas die Kreativität. Am Format hat sich seit fünf Jahren nichts mehr geändert. Die Jubiläumstour hätte anders zelebriert werden müssen“, moniert ihr Erfinder. Zehn Etappen zur Zehnten beispielsweise wären in einer Saison ohne WM oder Olympia durchaus für die Athleten verkraftbar gewesen, meint er.

„Das Potenzial, das die Tour hat, wurde noch nicht ausgereizt. Sie kann bewegen, weil der Langlauf ein Sport ist, den viele betreiben können. Der Sport ist immer auch Event, das muss immer wieder deutlich werden“, fordert Capol - auch angesichts der Tatsache, dass die Zuschauerzahlen und das Interesse der Medien bei und für die Tour de Ski in den vergangenen Jahren rückläufig war.