Pfüller: Ziele werden nicht nach unten korrigiert
Oslo (dpa) - Jahrelang waren Deutschlands nordische Skisportler Medaillengaranten. Vor den am 23. Februar in Oslo beginnenden Weltmeisterschaften aber ist nicht klar, ob das Team des Deutschen Skiverbandes (DSV) erneut eine dominierende Rolle spielen wird.
Krankheiten, Verletzungen und Formschwächen führten in den zurückliegenden Wochen zu zahlreichen Ausfällen. Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa spricht DSV-Generalsekretär und Sportdirektor Thomas Pfüller über die Ziele und die Situation in den einzelnen Sportarten.
Was erwartet der Deutsche Skiverband von seinen Assen bei den Weltmeisterschaften in Oslo?
Thomas Pfüller: „Unsere nordischen Athleten haben in den vergangenen Jahren bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen jeweils sechs bis acht Medaillen geholt. Ziele soll man bekanntlich nicht nach unten korrigieren. Also gehen wir davon aus, dass wir auch in Oslo für sechs Medaillen gut sein sollten.“
Die vergangenen Monate haben aber deutlich gezeigt, dass andere Nationen den Deutschen den Rang ablaufen können.
Pfüller: „Die Ausgangslage ist natürlich schwierig. Momentan kann man nicht genau einschätzen, wo die Kombinierer stehen. Was die Langläufer zu leisten imstande sind, muss man ebenfalls abwarten. Fakt ist, dass wir uns gezielt auf die WM vorbereitet haben, vielleicht einen anderen Saisonaufbau gewählt haben als andere.“
Gibt es Abnutzungserscheinungen bei den Trainern?
Pfüller: „Auf keinen Fall. Unsere Bundestrainer sind über jeden Zweifel erhaben. Vielleicht gibt es ein Kommunikationsdefizit zwischen den älteren Athleten und den Trainern. Wenn man viele Jahre dabei ist, geht man als Sportler trainingsmethodisch schon mal eigene Wege. Das ist nicht schlecht, nur vergisst man manchmal dabei, den Trainer zu informieren. Und der ist dann erstaunt, wenn eine bestimmte Leistung nicht kommt.“
Sorgenkind ist wohl ausgerechnet der Langlauf, der in den zurückliegenden Jahren Medaillengarant war.
Pfüller: „Im Langlauf läuft es in dieser Saison besonders schwer. Das Team ist geplagt von unplanmäßigen Ausfällen und Rückschlägen. Da muss in jedem Fall nach der Saison nachgehakt werden, woran es gelegen hat. Es lediglich auf den frühen Winter und die schwankenden Temperaturen zu schieben, dass viele Leistungsträger krank wurden oder nicht in Form kamen, wäre zu einfach. Es zeigt aber auch, dass wir keine Langlauf-Nation sind und Ausfälle wie die von Tobias Angerer, Axel Teichmann oder Evi Sachenbacher-Stehle nicht einfach kompensieren können. Und uns fehlt Claudia Nystad, die ihre Laufbahn nach Olympia beendet hat.“
Sind die Langläufer auf dem absteigenden Ast?
Pfüller: „Ich gebe nicht auf, an sie zu glauben. Wir sollten uns vom bisherigen Saisonverlauf nicht nervös machen lassen. Die meisten der Athleten haben so viel Routine, mit der lässt sich so manches machen. Die Trainer werden die Aktiven dort einsetzen, wo sie die größten Chancen haben. Es gibt einige Wettbewerbe, in denen die Trauben zu hoch hängen werden. Da muss man nicht immer vier Leute an den Start bringen.“
Auch die Kombinierer haben in dieser Saison noch keinen Sieg geholt.
Pfüller: „Die Kombinierer sind besonders schwer einzuschätzen. Ihnen fehlen einfach Wettkämpfe. Wir haben aber mit Björn Kircheisen, Tino Edelmann und Eric Frenzel drei Sportler, die das Potenzial haben, ganz vorn dabei zu sein. Und auch Johannes Rydzek wird eine gute Rolle spielen. Von den Kombinierern erwarte ich schon, dass sie in die Medaillenphalanx eindringen können. Sowohl in den beiden Team-Wettbewerben als auch in den beiden Einzeln.“
Wenigstens gibt es im Skispringen Lichtblicke.
Pfüller: „Wir freuen uns, dass möglicherweise die Talsohle durchschritten ist. Severin Freund kann ein Springer werden, der beständig mit der Weltspitze mithalten kann. Nun sollten wir aber nicht so verwegen sein und von ihm in Oslo den ganz großen Coup in den Einzeln erwarten. Die Mannschaft hat sich an seinen Leistungen aufgerichtet und gesteigert. Wenn das zuletzt Gezeigte stabilisiert werden kann, sollten wir um eine Team-Medaille mitspringen. Und Severin traue ich auch im Einzel etwas zu.“
Im nacholympischen Jahr sind noch sehr viele gestandene Sportler dabei, die wahrscheinlich nicht bis Sotschi 2014 weitermachen werden. Welchen Stellenwert hat diese WM für den DSV?
Pfüller: „Diese WM ist nicht richtungweisend für den Verband. Oslo ist das Mekka des nordischen Skisports, da wollen die Älteren noch einmal dabei sein und etwas erreichen. Die Karten werden erst nach der WM neu gemischt, dann wird es in den Disziplinen einen Neuaufbau in Richtung Sotschi geben.“