WM-Form stimmt: Gräßlers Mühen tragen Früchte
Val di Fiemme (dpa) - Das Lächeln auf dem Gesicht von Ulrike Gräßler verrät viel über den Gemütszustand von Deutschlands bekanntester Skispringerin.
Nach einer bisher völlig verkorksten Saison ist die Klingenthalerin rechtzeitig zur Weltmeisterschaft in Topform gekommen und geht voller Zuversicht in die Entscheidung am Freitag. Daran geglaubt hatte sie manchmal selbst nicht mehr. Doch mit eisernem Willen und dem Mut zur Veränderung hat die WM-Zweite von 2009 wieder in die Erfolgsspur gefunden.
Rückblende: Mitte Januar beim Weltcup in Hinterzarten erreichte Gräßler nicht einmal mehr das Finale der besten 30 und war damit am Tiefpunkt angelangt. Bundestrainer Andreas Bauer verordnete ihr daraufhin eine Wettkampfpause, die Gräßler zu einem Neustart nutzte. „Wir haben nach Hinterzarten sehr viel umgestellt und sehr hart gearbeitet. Das war nicht immer einfach. Es waren viele zähe Tage dabei“, berichtet die 25-Jährige.
Ans Aufgeben oder gar Aufhören hat sie in dieser schweren Zeit aber nie gedacht. „Ich wäre nicht hier, wenn ich resigniert hätte. Ich habe die drei Wochen als Herausforderung angenommen, kompromisslos alles umzustellen. Das ist fast mehr wert als eine Medaille, weil es mich auch im Leben weiterbringt“, erzählt Gräßler.
Bauer ist von der routiniertesten Athletin im vierköpfigen WM-Team begeistert. „Sie ist ein ganz feiner Mensch. Das habe ich in dieser Saison ganz extrem gemerkt, als es nicht so gut lief. Wir haben nie Probleme gehabt oder gestritten, sondern die Situation immer sachlich analysiert. Dafür braucht man eine positive Einstellung vom Kopf her, um alles umzukrempeln. Sie hat ein riesiges Kämpferherz“, lobt der Coach Gräßlers Charakter.
Die Polizeimeisterin zählt zu den Pionieren ihres Sports, der jahrelang um Anerkennung kämpfen musste und erst 2014 in Sotschi seine Olympia-Premiere erlebt. „Wir mussten immer unsere Leistung bringen und uns auch noch rechtfertigen. Das hat zeitweise ziemlich genervt. Da konnte man manche Erfolge nicht so genießen, wie man es jetzt könnte“, sagt Gräßler.
Nach tollen Trainingssprüngen auf der Normalschanze in Predazzo ist die Chance auf eine Medaille urplötzlich wieder intakt. „Ich bin aber nicht die Favoritin, das sind andere. Ich möchte hier einfach nur zeigen, dass ich doch noch Skispringen kann“, formuliert sie ihr Ziel dennoch zurückhaltend.
In Carina Vogt, die im Training ebenfalls brillierte, haben die deutschen Damen sogar ein zweites Feuer im Eisen. Die 21-Jährige aus Degenfeld ist seit fünf Jahren Gräßlers Zimmerkollegin. Daraus ist eine Freundschaft über den Sport hinaus entstanden. „Wir sind praktisch unzertrennlich“, erklärt Gräßler und fügt schmunzelnd hinzu: „Es hilft schon viel, wenn man auf den vielen Reisen mit jemandem das Zimmer teilt, den man gern hat. Da kann man sich noch mehr miteinander freuen.“
Reichlich Anlass dazu soll es am Freitag geben. Und wenn nicht, bleibt eine zweite Chance am Sonntag bei der WM-Premiere im Mix. „Es wäre schön, wenn ich dabei wäre, denn Deutschland hat eine gute Medaillenchance“, prophezeit Gräßler.