Sporthilfe beschäftigt sich mit dem Fall Pechstein
Im Kampf um verlorenes Image und finanzielle Unterstützung ist Claudia Pechstein plötzlich auch wieder bei der Deutschen Sporthilfe ein Thema. Der Gutachterausschuss der DSH hat den Fall Pechstein noch für diesen Monat auf seine Tagesordnung gesetzt.
Berlin (dpa) - Der Fall Pechstein wird erstmals seit sieben Jahren auch wieder die Deutsche Sporthilfe beschäftigen.
Auf der nächsten Sitzung ihres Gutachterausschusses am 21./22. November ist der Antrag der bis zum 8. Februar 2011 gesperrten Eisschnelllauf-Olympiasiegerin ein Thema. Dies teilte Michael Ilgner, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, der Nachrichtenagentur dpa auf Anfrage mit.
„Die Deutsche Sporthilfe behandelt Claudia Pechstein wie jede deutsche Spitzenathletin, die Förderung beantragt. Ihr Antrag inklusive unterschriebener Fördervereinbarung und aktuellem Sporthilfe-Eid ist über den Verband bei uns am 17. Oktober eingegangen“, bestätigte Ilgner. Pechstein hatte im Interview der Nachrichtenagentur dpa mitgeteilt, dass ihr Antrag auf Sporthilfe derzeit läuft. „Ich hoffe sehr, dass eine faire Entscheidung getroffen wird“, sagte die fünfmalige Olympiasiegerin.
Die Berlinerin war vom 1. Januar 1991 bis 19. November 2004 fast 13 Jahre von der Sporthilfe finanziell unterstützt worden, ehe sie wegen hoher Sponsoren-Einkünfte freiwillig auf die Gelder verzichtet hatte. Mit dem Auftakt zur Eisschnelllauf-Saison mit den deutschen Meisterschaften in Inzell versucht die Hauptstädterin nun möglichst alle juristischen Finessen auszublenden, die gegenwärtig parallel laufen. Pechstein kämpft weiter um ihren Ruf.
Neben ihrem Antrag auf Rückkehr in die Sportfördergruppe der Bundespolizei und der noch in diesem Jahr erwarteten Zivilklage gegen den nationalen und internationalen Verband auf Schadenersatz in Millionenhöhe ist auch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg nicht ad acta gelegt. „Es gibt tatsächlich viele offene Baustellen“, räumte sie ein.
Einen Dämpfer erhielt Pechstein unlängst vom Weltverband ISU als Antwort auf ihre Selbstanzeige. Der Fall sei für die ISU abgeschlossen, er erfülle nur den Zweck, ihren Fall neu aufzurollen, hieß es darin. Genau dies ist aber Pechsteins Bestreben.
Zudem spielt der immense Kostenfaktor nach den teuren, vergeblichen juristischen Prozessen und zahlreichen medizinischen Gutachten keine unwesentliche Rolle. Viele Sponsoren haben ihr in der Zeit der Sperre den Rücken gekehrt, so dass der Gedanke an eine Rückkehr in die Sporthilfe bei ihr erst aktiviert wurde.
Die Saisonvorbereitung „war eine neue, schwierige Situation für mich. Ich musste unbezahlten Sonderurlaub von der Bundespolizei nehmen, um überhaupt noch laufen zu können“, gestand Pechstein. „Ich denke nicht, dass es vor mir viele Athleten gegeben hat, die auf ihr monatliches Gehalt verzichtet haben, um für Deutschland auf Medaillenjagd zu gehen. So etwas belastet ungemein“, gab sie zu.
Oberstes Saisonziel ist nun, möglichst wieder um WM-Gold mitzukämpfen. Auf die Frage, ob man mit 40 Jahren überhaupt noch Weltmeisterin werden könne, antwortete die Berlinerin: „Natürlich.“ Dies wiederum wäre ein Rekord. „Mag sein. Aber ich habe auch mit einem Doping-Fall Geschichte geschrieben, den es vorher noch nicht gab. Ich möchte möglichst immer Rekorde brechen“, betonte die erfolgreichste Eisschnellläuferin der Welt, die bislang 55 Medaillen bei Olympia, WM und EM (14/27/14) erkämpft hat.
„Ich will bei den Einzelstrecken-Weltmeisterschaften wieder auf das Siegertreppchen. Ob es für ganz oben reicht, wird man sehen. Auch im Mehrkampf will ich eine Medaille, ganz gleich, ob bei WM oder EM“, sagte sie. Dem angestrebten sportlichen Erfolg untergeordnet ist auch ihr gesamtes Umfeld. So beendete Pechstein die Eiszeit mit Stephanie Beckert und schloss einen Burgfrieden mit der Thüringer Olympiasiegerin: „Es gibt definitiv keinen neuen Zickenkrieg. Wir haben zusammen trainiert, wir haben uns unterhalten.“
Das große Duell der besten beiden deutschen Langstrecklerinnen wird am Wochenende bei den Meisterschaften voraussichtlich ausfallen, ist aber nur auf den Weltcupstart vom 18. bis 20. November im russischen Tscheljabinsk vertagt. Die Erfurterin habe nach der Grundausbildung bei der Bundeswehr und dem medizinischen Programm zur Auskurierung ihrer Rückenprobleme nach Aussagen von Mehrkampf- Bundestrainer Stephan Gneupel noch Trainingsrückstand und wolle daher behutsam in die Saison einsteigen.
Nach den Attacken in ihrer Autobiografie auf die von Gneupel betreuten Olympia-Stars Gunda Niemann-Stirnemann und Stephanie Beckert war Pechsteins Verhältnis zum Erfurter Erfolgstrainer zuletzt nicht spannungsfrei. Beim ersten Sommertraining im Kreise der Auswahl seit ihrer Sperre sei nun alles Trennende zurückgestellt worden. „Man kann die Vergangenheit nicht einfach ausblenden. Aber wir sind Profis und haben uns entsprechend arrangiert“, sagte Pechstein. „Ich glaube, dass Herr Gneupel, sein Chef Markus Eicher und der ganze Verband Leute braucht, die Leistung bringen, und da gehöre ich dazu.“