„Von Hennen und Zicken“: Zoff unter Eislauf-Diven

Berlin (dpa) - Die Vermittler haben einen wahrlich schweren Job zu stemmen. Im Fall der streitenden Eisschnelllauf-Diven Claudia Pechstein und Stephanie Beckert erwartet Cheftrainer Markus Eicher bis Ende der Woche eine Präsidiums-Entscheidung.

„Am Sonntag fliegen wir zur WM nach Sotschi. Bis dahin muss es eine Lösung geben. In vielen Gesprächen werden wir Trainer jetzt versuchen zu kitten, was noch zu kitten ist“, meinte er am Montag. „Auf jeden Fall war das der falsche Weg von Pechstein und nicht leistungsfördern in Richtung WM“, kritisierte Eicher. Mit ihren öffentlichen Attacken auf ihre Erfurter Rivalin hat Pechstein in Heerenveen ein Feuer entzündet, das sich bei der WM am Schwarzen Meer zu einem Großbrand ausweiten könnte.

Während das Management von Beckert von Mobbing spricht und mit einem Boykott Beckerts in der Team-Verfolgung bei der WM droht, verteidigte Pechstein selbstbewusst die mit dem Vorwurf der „Arbeitsverweigerung“ ausgelöste Debatte und kritisierte, dass sich Beckert bisher jeglichem Team-Training verweigerte. Die 41-Jährige ist erfahren im Umgang mit Konflikten, die schon seit 2002 medial als „Zickenzoff“ aufgebauscht werden. Ausgelöst hatte Pechstein den bekannten Kleinkrieg mit Anni Friesinger aber nicht selbst. Bei der EM in Erfurt hatte die frischgebackene Europameisterin aus Inzell im ARD-Interview der hüstelnden Pechstein nach deren 5000-Meter-Erfolg vorgeworfen: „So krank kannst Du ja nicht gewesen sein.“

Dieser Satz hatte einen jahrelangen Dauerstreit zwischen den Eis-Königinnen ausgelöst, der erst beim gemeinsamen Team-Olympiasieg 2006 abflaute, aber nie ganz aus der Welt geschafft wurde. Er machte die beiden Eis-Stars aber mit einem Schlag so bekannt, dass mehr als zehn Millionen TV-Zuschauer deren Duelle bei den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City verfolgten und den Läuferinnen bis dahin ungeahnte Werbegelder in die Kassen spülten.

Doch die Eis-Konflikte haben schon eine viel längere Geschichte. Im Kapitel „Hennen und Zicken“ ihrer Biografie schreibt Pechstein über den Zoff mit Gunda Niemann-Stirnemann nach deren Niederlage im 5000-Meter-Rennen der Spiele 1994 in Hamar. „Stets war klar, rette sich wer kann, wenn Gunda nicht als Schnellste ins Ziel kam“, meinte Pechstein. Monatelang herrschte zwischen beiden Eiszeit, sie wechselten kein Wort miteinander. „Die Streithennen“ betitelte die „Sport Bild“ eine Story über die Rivalinnen.

Gunda Niemann wurde damals ebenso vom Erfurter Erfolgscoach Stephan Gneupel betreut wie heute Stephanie Beckert oder einst auch Franziska Schenk, die nun als ARD-Moderatorin arbeitet. Obwohl Schenk auf den kürzeren Distanzen zu Hause war und Pechstein nie als Rivalin in die Quere kam, bekam sie ihr Fett weg. Als „Kurnikowa des Eisschnelllaufens“, bezeichnete Pechstein sie in ihrem Buch „Von Gold und Blut“, warf ihr in Anspielung auf Ex-Tennis-Star Anna Kurnikowa Überheblichkeit und glamouröses Gehabe vor.

Schenk bekommt bis heute kein TV-Interview von Pechstein, weil sie sich konsequent weigerte, während Pechsteins Sperre eine Resolution an IOC-Vizepräsident Thomas Bach zur Wiederaufnahme des Verfahrens zu unterschreiben, nachdem Pechsteins Blutanomalie nachgewiesen wurde. Auch Niemann und Friesinger verweigerten sich diesem Anliegen, Team-Olympiasiegerin Daniela Anschütz-Thoms hingegen unterschrieb.

Auch der Konflikt mit Stephanie Beckert hat seinen Ursprung in der Zeit von Pechsteins Sperre wegen erhöhter Blutwerte. Im Trainingslager in Font-Romeu war Pechstein im September 2009 mit einem Verbot belegt, im Team zu trainieren. Als sich die Berlinerin dennoch ein paar Meter im Windschatten Beckerts bewegte, soll sich die Erfurterin nach Angaben Pechsteins über ihren Vater bei Teamchef Helge Jasch beklagt haben. Dadurch sah sich Pechstein erneut herausgefordert. „Hast Du eigentlich eine Ahnung, was ich zuletzt ertragen musste?, schießt es mir durch den Kopf. Und meine Faust möchte unbedingt in ihr Gesicht“, schreibt Pechstein in ihrem Buch.

Auch nachdem die Sperre abgelaufen war, würdigten sich die Rivalinnen kaum eines Blickes. „Wir sind Profis und laufen im gleichen Team“, erklärte Beckert beim Weltcup Anfang März in Erfurt. Nun besteht die Gefahr, dass der verpatzte Wettkampf am vergangenen Wochenende in Heerenveen der letzte gemeinsame Auftritt war.