Sporthilfe-Chef Ilgner: Von den Briten lernen

London (dpa) - Die durchwachsene Bilanz des deutschen Teams bei Olympia in London hat auch eine Diskussion über die Sportförderung ausgelöst.

„Wir sind absolut einig darüber, dass die Gesamt-Förderung bei uns zu gering ist“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Deutsche Sporthilfe, Michael Ilgner, im Interview der Nachrichtenagentur dpa. Zugleich warnte er aber auch vor einer „irrwitzigen, weil verkürzten Diskussion um Prämien“.

Der britische Sport feiert Triumphe, und Sie selbst haben sich vor den Spielen vor Ort kundig gemacht, wie die nach der Vergabe an London neben dem NOK geschaffene Zentralorganisation „UK Sport“ funktioniert.

Michael Ilgner: „Es ist ein an der Effektivität beziehungsweise an der Medaillenperspektive ausgerichtetes System. Es wird analysiert und kalkuliert, wo Erfolgsaussichten sind und was investiert werden muss, um zu Medaillen zu kommen. Die persönliche Athletenförderung war dabei nicht einmal so exorbitant hoch. Die Förderung pro Athlet betrug in Stufen bis etwa 30 000 Euro pro Jahr. Dieses Maximum bekommen aber nur wenige absolute Topleute.“

Dieses Modell war allem Anschein nach überaus erfolgreich.

Ilgner: „Überwiegend ja, aber nicht nur. In den Judosport wurden beispielsweise über vier Jahre neun Millionen Euro investiert. Daraus ist keine einzige Medaille entstanden. Der deutsche Judo-Verband wäre über solche finanziellen Größenordnungen sicherlich sehr glücklich, hat aber mit einem Bruchteil solcher Mittel in London vier Medaillen gewonnen. Das zeigt: Geld ist in der Förderung nicht alles.“

Ein britisches Erfolgsbeispiel ist Radsport, der mit über 35 Millionen Euro subventioniert worden ist und sieben Goldmedaillen produziert hat.

Ilgner: „Es ist auch dabei, aber nicht nur das Geld, sondern nicht zuletzt die Konzentration in den einzelnen Sportarten auf wenige Stützpunkte. Dort konnten sich die besten Athleten ständig miteinander messen.“

Wäre das dann auch ein Modell für den deutschen Sport?

Ilgner: „Die Sporthilfe ist Partner der Verbände und des DOSB, nicht ihr Kritiker. Aber festzuhalten ist: Wir haben eine Reihe von Sportarten, die dies in ähnlicher Form praktizieren, vor allem im Wintersport. Aber auch im Sommersport gibt es doch längst interessante und offensichtlich erfolgreiche Modelle. Die deutschen Turner konzentrieren sich zwar nicht auf ein Zentrum. Doch sie sind in der Regel alle drei Wochen für eine Woche zusammen und trainieren dann gemeinsam, um sich gegenseitig anzuspornen. Unser System zeichnet sich zum Glück nach wie vor durch Vielfalt aus, doch diese Vielfalt muss auch immer wieder gerechtfertigt werden, mit kontinuierlichen Anpassungen und Veränderungen orientiert an der Weltspitze.“

Judoka Ole Bischof hat sich nach seinem Silbermedaillen-Gewinn beklagt über das deutsche Prämiensystem und auf internationale Vergleiche hingewiesen. Was sagen Sie dazu?

Ilgner: „Wir sind absolut einig darüber, dass die Gesamt-Förderung bei uns zu gering ist. Aber es gibt eine nahezu irrwitzige, weil verkürzte Diskussion um Prämien, weil diktatorisch regierte Länder und auch kleinere Länder Olympiasiege angeblich mit bis zu einer Million Euro honorieren. Bei unserer Förderung geht es um langfristige, verlässliche Unterstützung besonders bei der Verbindung von Sport und Ausbildung oder Beruf. Ole Bischof ist seit fast 15 Jahren in dieser Sporthilfe-Förderung, vor allem mit Bausteinen zur dualen Karriere, und ich glaube wir sind ähnlich glücklich darüber wir er selbst. Übrigens gibt es eine schöne Fußnote zur Prämiendiskussion: Englische Medaillengewinner bekommen keinerlei Medaillenprämien.“

Der britische Leistungssport ist über Lotto und Regierung in den letzten vier Jahren mit etwa 400 Millionen Euro unterstützt worden.

Ilgner: „Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist Weltniveau nicht erreichbar. Aber sicher ist auch: Großbritannien hat diesen Schub nur bekommen durch die Vergabe der Spiele vor sieben Jahren an London. Deshalb muss es im Interesse des deutschen Sports sein, so schnell wie möglich wieder einmal olympischer Schauplatz zu werden.“