Tanz, Paraden und Gebäck auf dem Golzheimer Friedhof
Beim „Thresholds“ verwandelt sich am Samstag der historische Friedhof zu einer besonderen Kunstausstellung.
Die Toten soll man nicht stören, so heißt es und so ist der Friedhof hierzulande ein Ort der leisen Andacht. Nadja Ismael, Leiterin der Kunsthalle Gießen und Kuratorin des Thresholds (Grenze) Performancefestival, hat jedoch einen anderen Blick auf die Ruhestätte. Zusammen mit weiteren Künstlergruppen will sie die Themen Tod und Sterben enttabuisieren, sowie den Friedhof als kulturellen Ort beleuchten. Sieben Darbietungen wird es am Samstag zwischen 14 und 20 Uhr im Südtteil der historischen Ruhestätte in Golzheim geben.
„Auf dem Friedhof kommen alle Dinge wieder zusammen. Hier findet man komprimiert Stadtgeschichte, hier findet man sämtliche Kulturen. Gleichzeitig ist es ein Thema aktueller Diskurse, daran kann man ganz gut Gesellschaftsgeschichte ablesen. Und das ist eben zeitgenössische Kunst auch“, begründete Ismail die Ortswahl. Und führt weiter aus: „Im westlichen Kontext ist es so, dass Alter, Krankheit und Tod nichts zu suchen haben. In anderen Kulturen geht man ganz anderes damit um, da gibt es Totenfeiern, wo man mit den Toten picknickt, manche werden wieder ausgegraben und in frische Tücher eingewickelt. Da ist das normaler, es gehört dazu, was hier nicht der Fall ist. Ich empfinde das als sehr interessanten Diskurs.“
Präsentiert wird das Fest von der Düsseldorfer Künstlerinitiative „701 e.V“, auch die „Stiftung Deutsche Bestattungskultur unterstützt das Projekt.Die Aufführungen reichen vom Besinnlichem bis zu Feiereinlagen. Folgende Künstler werden teilnehmen.
Jonathan Auth/ Alexandro Böhme/ Andreas Jonak/ Paula Knaps Loos/ Anna-Maria Schkroba Die fünf Düsseldorfer Künstler werden am Tag sowohl mit- als auch gegeneinander an einer sich ständig verändernden Installation arbeiten. Jeder einzelne baut im Laufe des Tages Teile des Werkes ab und schafft aus ihnen etwas neues, dadurch bewegt sich das Objekt im Gelände. Ihr Zusammenspiel ist dabei Teil der Performance.
Thomas Kleiner/ Marco Biermann Aus der Erfahrung in der Pflege eines Querschnittsgelähmten entstand die Vorstellung der beiden. Der eine, in völliger Bewegungslosigkeit, lässt sich vom anderen führen. Zusammen reinigen sie Grabsteine.
Ingke Günther/ Jörg Wagner „Es geht um die Dinge, die bleiben“, beschrieb Ingke Günter die Aktion „Areal Oranier“, die von 15 bis 19 Uhr Aufgebaut stattfindet. In vorher abgesteckten Arealen werden Erbstücke benutzt, im Mittelpunkt der Fläche wird ein Ofen stehen, in dem gebacken wird. Als Besonderheit kann hier mit Kopfhörern getanzt werden.
Lisa Dreykluft Moderner Okultismus verbunden mit dem Trend, Kisten vor einer Kamera zu öffnen: „Unboxing the spirit of sadness“ nennt Dreykluft das, was sie von 18 bis 18.30 Uhr präsentieren wird.
Phonoschrank/ Thomas Zipp Feiernde Menschen sind an einem Ort wie diesem alles andere als die Norm, doch wenn am Samstag ein Heer maskierter Leute einem mit Blumenerde gefüllten Anhänger folgt, sollen auch die Zuschauer mit in die kleine Loveparade, so nennen es die Künstler selber, eingebunden werden.
Ella CB Ohne viel TamTam kommt am Samstag Ella CB aus. Um 15, 16.30, 18 und 19.30 Uhr wird sie für je eine halbe Stunde auf einer großen Decke Platz nehmen. Dies soll als nonverbale Aufforderung wahrgenommen werden, sich dazu zu setzen.
Studio Beisel Das aus Gießen stammende Duo lädt seit einigen Jahren in ihrem „mobilen Beerdigungsinstitut“ Interessierte zu einem persönlichen „Nachgespräch“ über das Sterben, den Tod und die Trauer. Beim Thresholds ist es mit einer „Pietät-Station“ dabei.