34 Hochhäuser nicht sicher 4000 Bewohner verlassen Londoner Wohntürme wegen Feuergefahr
London (dpa) - Anderthalb Wochen nach dem verheerenden Feuer im Londoner Grenfell Tower haben Experten an mindestens 34 Hochhäusern in Großbritannien leicht entflammbare Außenfassaden entdeckt. Das teilte die britische Regierung mit.
Betroffen seien unter anderem Manchester, Portsmouth und Plymouth.
Etwa 4000 Menschen mussten schon am Freitagabend ihr Nötigstes packen und vier Hochhäuser im Norden Londons wegen Brandgefahr räumen. Die Feuerwehr hatte in den jeweils 22-stöckigen Gebäuden erhebliche Sicherheitsmängel festgestellt: etwa brennbare Fassaden, Fehler bei der Isolierung von Gasleitungen und das Fehlen von Brandschutztüren. In einem fünften, kleineren Hochhaus durften die Bewohner bleiben.
Die Betroffenen verbrachten die Nacht in Notunterkünften, Hotels oder bei Freunden. Mehr als 80 Bewohner weigerten sich allerdings, ihre Wohnungen in den Gebäuden im Stadtteil Camden zu verlassen.
In Interviews sprachen einige Bewohner von einer Überreaktion. „Zwei frühere Brände in diesem Hochhaus sind doch leicht in Schach gehalten worden“, sagte ein Familienvater. Ein 94-Jähriger berichtete den Journalisten, dass er nicht ausreichend Tabletten mit sich genommen habe. „Ich habe für so etwas nicht mehr die Kraft.“
Der Hochhaus-Komplex soll nach einem BBC-Bericht von 2006 bis 2009 von derselben Firma saniert worden sein wie der Grenfell Tower.
Die Arbeiten an den geräumten Gebäuden werden drei bis vier Wochen dauern, wie Georgia Gould vom Bezirksrat sagte. Etwa 650 Wohnungen sind den Angaben zufolge betroffen. Londons Bürgermeister Sadiq Khan schrieb auf Facebook von einer „Vorsichtsmaßnahme“ und bezeichnete die Räumung als den besten Weg, um die Bewohner zu schützen.
Premierministerin Theresa May hatte nach dem Brand des Grenfell Towers angekündigt, dass täglich etwa 100 Hochhäuser im Land überprüft werden. Nach der Räumung in Camden twitterte sie, ihre Gedanken seien bei den in Sicherheit gebrachten Einwohnern. Der Rat von Camden teilte mit, alle Bewohnern dürften in Begleitung von Feuerwehrleuten noch ihre Habseligkeiten aus den Wohnungen holen.
Nach Ansicht des Chefs der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, sollte May eine Krisensitzung einberufen. Nur so könnten Maßnahmen gegen den unzureichenden Brandschutz besser koordiniert werden. Es handele sich um eine „landesweite Bedrohung“.
Ein defekter Kühlschrank hatte laut Scotland Yard das Feuer am 14. Juni im Grenfell Tower entfacht. Der Brand griff an der Außenfassade entlang rasch auf den ganzen 24-stöckigen Sozialbau über. Der Hersteller bestimmter Dämmplatten, die in der Fassadenverkleidung benutzt wurden, kündigte inzwischen an, dass sein Produkt künftig nicht mehr in Gebäuden über 18 Meter Höhe verwendet werden soll.
Mindestens 79 Menschen kamen bei dem Brand ums Leben. Die tatsächliche Opferzahl könnte aber wesentlich höher liegen. Möglicherweise haben sich viele Menschen illegal in dem Sozialbau aufgehalten. Sechs Verletzte lagen am Samstag noch in Krankenhäusern.
Die Ermittler erwägen eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung. Man sehe sich alle Unternehmen an, die am Bau und an der Sanierung des Grenfell Towers beteiligt gewesen seien, hieß es.