Analyse: Athen schraubt Erwartungen an Schäuble nach unten

Athen (dpa) - Wolfgang Schäuble ist nach Bundeskanzlerin Angela Merkel der bekannteste deutsche Politiker in Griechenland. „Der beliebteste ist er sicher nicht“, sagt Giorgos Antoniades, ein Zeitungsverkäufer im Zentrum Athens.

Für viele Griechen ist der CDU-Politiker der Hauptverantwortliche für die Sparpolitik und die Rekordarbeitslosigkeit von 27 Prozent. Sie prangern ihn als Sparkommissar an. Nun besucht der deutsche Finanzminister an diesem Donnerstag Athen - erstmals seit Beginn der Krise, die Griechenland an den Abgrund führte. Die Visite wird nur kurz sein. „Wir erwarten ermutigende Worte. Mehr wohl nicht“, sagte ein Mitarbeiter des Finanzministeriums am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa.

Schäuble kommt nicht mit leeren Händen: Berlin will sich mit rund 100 Millionen Euro an einem Wachstumsfonds beteiligen, allerdings nur unter Bedingungen, wie es aus deutschen Ministeriumskreisen hieß. Das entsprechende Memorandum solle am Donnerstag in Athen unterzeichnet werden, verlautete aus Athen. Die sogenannte Wachstumsinstitution (Institution of Growth) solle hauptsächlich günstige Kredite für kleine und mittelständische Betriebe vergeben, die jede Unterstützung in der andauernden Rezession benötigen. Sie soll insgesamt über ein Kapital in Höhe von 500 Millionen verfügen.

Schäuble will eine kurze Rede vor der griechisch-deutschen Handelskammer in Athen halten und sich mit dem griechischen Regierungschef Antonis Samaras und seinem Amtskollegen Ioannis Stournaras treffen. Mit letzterem gibt es dann auch eine Pressekonferenz im Finanzministerium. Mögliche Proteste auf den Straßen wird Schäuble deshalb wohl nur am Rande mitbekommen.

Die großen Demonstrationen und Streiks in Athen und anderen Städten richteten sich in dieser Woche vielmehr gegen die geplanten Massenentlassungen bei den Staatsbediensteten. Brisante gesetzliche Regelungen wurden von der nur noch knappen Mehrheit der Regierungskoalition in der Nacht beschlossen. Angesichts der Dauerkrise in Athen war dies jedoch kein Grund zum Ausladen des von vielen nicht gern gesehenen Gastes. Viele Griechen fühlen sich bevormundet - von den Deutschen und anderen reichen Euroländern.

Finanzminister Stournaras hat viele Themen mit Schäuble zu besprechen. So wird Griechenland voraussichtlich nach dem Ende des aktuellen Hilfsprogramms 2014 weitere Hilfen brauchen. Die Griechen haben von den 50 Milliarden Euro, die für die Rekapitalisierung ihrer Banken vorgesehen waren, nur 37 Milliarden genutzt. Athen ist der Ansicht, dass die restlichen 13 Milliarden als eine Art Sicherheitspolster verwendet werden könnten, falls Griechenland tatsächlich nächstes Frühjahr frisches Geld brauchen sollte.

Nicht zuletzt wollen die Griechen auch ein anderes brenzliges Thema ansprechen, von dem Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) nichts hören wollen: Es geht um die Hoffnung Athens auf einen weiteren Schuldenschnitt - diesmal für Staatsanleihen, die in der öffentlichen Hand sind. Dies würde dann vor allem die Euroländer, die Europäische Zentralbank (EZB) und eben die europäischen Steuerzahler treffen. Berlin lehnt das bislang strikt ab.

Doch von der großen Wut der Griechen, die noch vor einem Jahr tobte, ist inzwischen weniger zu spüren. Im Frühjahr 2012 hatte Griechenlands Präsident Karolos Papoulias Schäuble scharf attackiert. Der heute 84-Jährige empörte sich über die harte Haltung Deutschlands und anderer großer Geldgeber. „Ich akzeptiere es als Grieche nicht, dass mein Land von Herrn Schäuble beleidigt wird“, polterte Papoulias. „Wer ist denn Herr Schäuble, der Griechenland beleidigen kann. Wer sind denn die Niederländer, wer sind die Finnen?“