Analyse: Athens Erfolgsstory mit Fragezeichen
Athen (dpa) - Als in Athen vor wenigen Wochen von einer Rückkehr an den Kapitalmarkt die Rede war, fassten sich viele Experten an den Kopf. So schnell - unmöglich. Doch nun ist es soweit.
Das griechische Finanzministerium will fast vier Jahre nach dem Hilferuf an die Europartner und zwei Jahre nach dem für viele private Anleger verheerenden Schuldenschnitt wieder Geld bei Investoren einsammeln. Dabei ist die wirtschaftliche Lage kaum besser als vor der Rettung - warum setzt der Anleihemarkt wieder auf Griechenland?
Athen zeichnet das Bild einer spektakulären Wiederauferstehung, die den Beginn einer neuen Ära markieren soll. Regierungschef Antonis Samaras hatte schon in seiner Neujahrsansprache angekündigt: „2014 wird Griechenland auf die Märkte zurückkehren.“ Nach den Jahren der Krise ist die Sehnsucht groß, wieder „ein normaler Staat zu sein“, wie Samaras es formuliert. Athen möchte ganz ohne EU-Hilfe auskommen. Das Kapitalmarkt-Comeback soll den Weg dafür ebnen.
Doch Anleger dürften weniger auf die Heilungskräfte Griechenlands setzen als vielmehr auf die weitere Unterstützung der Europartner - allen voran Deutschlands. Wirtschaftsprofessor Panagiotis Petrakis von der Universität Athen sprach im Staatsradio sogar von einer Art Garantie aus Deutschland, dem stärksten Europartner, für die griechischen Papiere. Die Anleger würden davon ausgehen, dass Berlin beschlossen habe, Griechenland um jeden Preis zu retten.
Tatsächlich dürften Investoren sich eher für vergemeinschaftete Haftung als für Wachstumsperspektiven und Haushaltslage in Griechenland interessieren. Denn die griechische Wirtschaft ist nach wie vor - trotz leicht verbesserter Aussichten - in einem desaströsen Zustand. Die Krisenjahre haben Griechenland auf das Niveau eines Entwicklungslands zurückgeworfen und daran dürfte sich laut Ökonomen vorerst wenig ändern. „Die Anleiheauktion markiert keinen Wendepunkt“, meinen die Experten vom Analysehaus Capital Economics.
Die Anleger sind in Zeiten rekordniedriger Leitzinsen vor allem auf der Jagd nach Rendite. Und unter den Staatsanleihen im Euroraum werfen die griechischen Papiere mit Abstand die höchsten Erträge ab. Um sich für fünf Jahre 2,5 Milliarden Euro zu leihen, wäre Athen laut Kreisen bereit, eine Rendite von mehr als fünf Prozent zu bieten. Zum Vergleich: Fünfjährige Bundesanleihen rentierten zuletzt mit 0,6 Prozent.
Hinter vorgehaltener Hand geht man selbst in Athener Regierungskreisen davon aus, dass das hohe Interesse der Investoren vor allem den attraktiven Zinsen geschuldet sei. Die Rückkehr an die Finanzmärkte ist kurz vor dem Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel an diesem Freitag eine willkommene Erfolgsstory. Zumal Athen auf weitere Zugeständnisse drängt. Griechenland hat 2013 einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet - zumindest unter Ausblendung der erdrückenden Zinslast. Die Eurogruppe hatte schon im November 2012 weitere Hilfe in Aussicht gestellt, wenn dieses Ziel erreicht wird.
Fest steht: Athen ist noch lange nicht aus dem Schneider. Auch politisch bleibt die Situation prekär. Das Ergebnis der Europawahlen im Mai entscheidet über das Schicksal von Samaras und seiner Regierung. Er hat im 300-Sitze-Parlament eine hauchdünne Mehrheit von 152 Abgeordneten. Nur wenn ihm ein Sieg gelingt, wird er seine Politik fortsetzen können. Gewinnt das Bündnis der radikalen Linken (Syriza), wird es nicht nur für Samaras und seinen Koalitionspartner, den Sozialisten Evangelos Venizelos, brenzlig. Dann stünde auch die von den Europartnern geforderte Reformpolitik vor dem Aus.