Analyse: Auch der Hoffnungsträger schafft es nicht
Berlin (dpa) - Es gibt derzeit wohl kaum einen schwereren Job in Deutschland. Technikchef am Berliner Pannen-Flughafen - ein Himmelfahrtskommando. Horst Amann muss die Aufgabe bewältigen.
Im vergangenen Sommer hat die Flughafengesellschaft den Bauingenieur geholt, den erfahrenen Haudegen - als „Retter in der Not“, damit eine Eröffnung 2013 klappt. Amann hat das nicht hinbekommen, die Probleme sind zu gewaltig, der Start ist erneut verschoben worden.
Einen neuen Eröffnungstermin gibt es vorerst nicht. „Ich lege mich da nicht fest. Wir müssen die Schritte jetzt in Ruhe und mit Augenmaß machen“, sagte Amann am Dienstag in einem dpa-Interview. „Und wir müssen auch schonungslos die Fakten und die Wahrheit auf den Tisch legen.“
Der Flughafen-Standort Berlin muss damit weiterhin mit einer Notlösung arbeiten. Der betagte Airport Schönefeld im Südosten und vor allem der alte Flughafen Tegel im Westen müssen die wachsende Zahl von Touristen und Geschäftsleuten durchschleusen, die nach Berlin kommen. Eigentlich sollten sie schon im Oktober 2011 stillgelegt werden wie zuvor schon Tempelhof. Gut 18 Millionen Passagiere kamen 2012 in Tegel an oder starteten von dort. Für lediglich sechs Millionen wurde er einst konzipiert.
Entsprechend voll ist es in Tegel Tag für Tag, und Umsteigen ist schwierig, vor allem weil das Gepäck nicht von einer Sortieranlage weitertransportiert werden kann. Air Berlin, die wichtigste Airline in der deutschen Hauptstadt, die schon bislang schwer zu kämpfen hat, muss ihre Pläne für ein Drehkreuz weiter auf Eis legen und auf Amann hoffen.
Kurz vor Weihnachten besichtigt der 59-Jährige mit Politikern sowie Firmenvertretern die Baustelle. Es muss ernüchternd gewesen sein. Das Hauptproblem: Erneut das komplexe System der Brandschutzanlage. Die Auswertung von kritischen Rauchgasversuchen, die dann vor Weihnachten durchgeführt wurden, habe gezeigt, „dass es nicht auf Anhieb funktioniert“, sagte Amann.
Die Erkenntnis, dass die Brandschutzanlage nicht betriebsbereit sein würde, um eine Flughafen-Eröffnung am 27. Oktober zu ermöglichen, habe sich bis Anfang Januar „so verfestigt, das ich die Notwendigkeit sah, die Reißleine zu ziehen“. Am vergangenen Freitag schließlich schreibt Amann den Flughafen-Gesellschaftern Bund, Berlin und Brandenburg, der Termin Oktober sei nicht zu halten.
Das Echo auf die neuerliche Verschiebung ist verheerend, Hohn und Spott ergießen sich über die Macher des Flughafens. Ein Boulevard-Blatt empfiehlt, den Airport doch abzureißen, die Chinesen sollten dann schnell einen neuen bauen. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) tritt als Aufsichtsratschef zurück, die Tage von Flughafenchef Rainer Schwarz gelten als gezählt. Um die Bauprobleme des neuen Flughafens hat sich Schwarz zuletzt nicht mehr gekümmert, das ist allein Amanns Sache.
Aber auch der Profi Amann, auf den alle setzten, gerät in die Kritik. Die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert am Dienstag Projektbeteiligte. Sie lassen kaum ein gutes Haar an Amann. Amann habe „null Fortschritte“ auf der Baustelle erreicht, er habe kein Organisationstalent.
Der Technikchef selbst geht in die Offensive. In Interviews nimmt er kein Blatt vor dem Mund. Ob der Flughafen 2014 starten kann? Er könne sich nicht festlegen. Der Grund für die Verzögerung? Mängel im Verborgenen. Und dann: „Die Probleme sind leider Gottes nach dem, was wir jetzt wissen und was wir sehr mühevoll in den letzten Monaten aufgedeckt haben, heftig, sehr heftig“, sagt Amann dem Hessischen Rundfunk. „Und zwar so gravierend, fast grauenhaft, dass die Maßnahmen, die wir jetzt ergriffen haben, notwendig waren.“
Im dpa-Interview sagt Amann, er habe die Probleme nicht unterschätzt, es habe jedoch einen „ambitionierten Zeitplan“ gegeben. Aber: „Wir haben es nicht früher erkennen können, wie der bauliche Zustand tatsächlich ist - das hätte bedurft, dass wir zigtausend Quadratmeter Decken oder Böden oder Kanäle öffnen. Das hat uns in der Tat überrascht, da gibt es heute zum Teil noch Überraschungen.“ Nun soll vieles noch einmal auf den Prüfstand kommen. Dabei gebe es auch Bereiche, wo ein Umbau sinnvoller sein könnte als Nachsteuerungen.
Dabei hat Amann schon Riesen-Projekte gestemmt. Für den Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport hat er den Bau der neuen Landebahn sowie die Planung des Terminals 3 verantwortet, für die Deutsche Bahn den Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Frankfurt und Köln. Die Aufgabe in Berlin aber ist die bisher schwerste in Amanns Karriere. Er bereue den Job aber nicht, sagt Amann und gibt sich kämpferisch: „Es ist nach wie vor mein Ziel, diesen Flughafen in Betrieb zu nehmen. Der BER wird ein toller Flughafen.“