Analyse: China blickt mit Sorge nach Nordkorea
Peking (dpa) - Mit einer Mischung aus sozialistischen Brudergrüßen und heimlicher Sorge um die Stabilität an seiner Grenze hat China auf den Tod des nordkoreanischen Herrschers Kim Jong Il reagiert.
Offiziell sprach das Pekinger Außenministerium am Montag dem koreanischen Volk sein „tiefstes Beileid“ aus. China lobte die „wichtigen Beiträge zur Entwicklung des Sozialismus“, die der „Genosse Kim Jong Il“ geleistet habe, sagte ein Sprecher.
In Gesprächen mit chinesischen Nordkorea-Experten und politischen Beobachtern in Peking war aber klar erkennbar, dass der nun bevorstehende Machtwechsel in Pjöngjang in Peking mit ähnlich großer Sorge verfolgt wird wie im Rest der Region.
China teilt eine mehr als tausend Kilometer lange Grenze mit Nordkorea und wünscht daher keine Unruhen in seinem Nachbarland. Auch die militärischen Drohgebärden und nuklearen Ambitionen Pjöngjangs verfolgt Peking seit längerem mit Unbehagen.
Er hoffe, dass Nordkorea weiterhin einen „positiven Beitrag zum Erhalt des Friedens und der Stabilität auf der koreanischen Halbinsel und der Region“ leisten werde, sagte ein Sprecher der chinesischen Regierung am Montag in seiner erste Kondolenzbotschaft nach dem Tod Kim Jong Ils.
„Sicherlich ist China wegen einer möglichen Instabilität in Nordkorea besorgt,“ sagte die Nordkorea-Expertin Yu Yingli vom Shanghaier Institut für Internationale Studien am Montag der Nachrichtenagentur dpa. Obwohl China enge Beziehungen zu seinem Nachbarn pflege, sei es auch für seine Politiker nicht einfach, die Situation in dem „sehr abgeriegelten Land“ klar einzuschätzen, sagte Yu.
Ähnlich wie überall in der Welt fragt man sich kurz nach dem Tod Kim Jong Ils auch in China, ob die von ihm noch zu Lebzeiten eingeleitete Übergabe der Macht an seinen Sohn Kim Jong Un von allen Teilen des Machtapparates in Pjöngjang unterstützt wird. „Ich würde schätzen, dass die Beamten, die seinem Vater gedient haben, künftig unter seiner Kontrolle stehen werden“, sagte die Nordkorea-Expertin über den angeblich nicht einmal dreißigjährigen Kim Jong Un. Das genaue Alter ist nicht bekannt. Aber ob es so komme, sei derzeit noch „ein wenig unklar“, fügte Yu hinzu.
Chinas Verhältnis zu Nordkorea hat sich in den vergangenen Jahren sehr ambivalent entwickelt. Einerseits fühlt sich die kommunistische Parteielite in Peking dem sozialistischen Bruderland historisch verbunden. 1950 strömten Millionen chinesischer Soldaten über die Grenze, um Nordkorea im Krieg gegen Südkorea und die USA zu helfen. China ist noch immer der größte Handelspartner Nordkoreas. Vor allem seine Heizöl- und Nahrungsmittellieferungen sind von vitaler Bedeutung für das verarmte Nachbarland, in dem eine große Hungersnot herrscht.
Andererseits hat China nach den Atombombentests Nordkoreas in den Jahren 2006 und 2009 Sanktionen der Vereinten Nationen mitgetragen, mit denen Kim Jong Il für die nuklearen Drohungen gemaßregelt werden sollte. Allerdings ist die chinesische Führung dagegen, den internationalen Druck auf das Regime in Pjöngjang zu sehr zu erhöhen. Zu groß ist die Angst vor Flüchtlingsströmen aus dem Nachbarland in Folge von Armut, Hunger und Unterdrückung.