Porträt: Nordkoreas rätselhafter Despot
Seoul (dpa) - Flüchtlinge aus Nordkorea erzählen von grausamsten Menschenrechtsverletzungen, darunter Folter und öffentliche Hinrichtungen. Etwa 200 000 politische Gefangene sollen sich in Arbeitslagern in dem abgeschotteten Land befinden.
Die Menschen leiden bitterste Not und Hunger. Hunderttausende sind in den vergangenen 15 Jahren während der Herrschaft von Kim Jong Il gestorben, weil sie nicht genug zu essen hatten.
Über Kim, der am Samstag im Alter von 69 Jahren an einem Herzinfarkt starb, kursierten in der Welt Namen wie „Verrückter mit der Bombe“, oder „Dr. Seltsam“: Ihm wurde im Westen auch schon mal Größenwahn unterstellt, weil er sich mit der Supermacht USA anlegte. Er unterhielt ein umstrittenes Atom- und Raketenprogramm. Nach der in Pjöngjang verbreiteten Lesart ist ein eigenes Atomwaffenarsenal die einzige Sicherheit dafür, dass die USA das Land nicht angreifen.
Zugleich befehligte Kim mit 1,5 Millionen Soldaten eine der zahlenmäßig größten Armeen auf dem Globus. Doch dämonisiert und sogar belächelt wurde der kleine Mann mit der großen Brille nur im Ausland. In Nordkorea wird er als eine Art Halbgott, als „geliebter Führer“ verehrt, obwohl das Volk ständig durch den Staatsapparat drangsaliert wird. Um Kim wurden vom Regime zahlreiche Mythen verbreitet. Nach seiner Geburt am 16. Februar 1942 - es war die Zeit der japanischen Besatzung - in einem Camp auf dem Heiligen Berg Paekdu sollen etwa ein Stern und ein doppelter Regenbogen am Himmel erschienen sein.
Für Beobachter war der Diktator, der Plateausohlen trug und seine Haare toupierte, um größer zu wirken, eine Erscheinung voller Widersprüche. Verlässliche Informationen gibt es kaum. Während er außerhalb seines geschlossenen Machtbereichs als unberechenbare Größe galt, charakterisierte ihn der frühere südkoreanische Präsident Kim Dae Jung als jemanden mit „gesundem Menschenverstand“, der sehr wohl wisse, was in der Welt vorgeht.
Für die Bevölkerung war Kim, der in den offiziellen Medien als Revolutionär und „Genie in Literatur, Kunst und Kriegskunst“ gepriesen wird, allgegenwärtig. Porträts von ihm und seinem Vater, dem „ewigen Präsidenten“ Kim Il Sung, von dem er die Macht und auch den Personenkult übernommen hat, hängen fast in allen öffentlichen Gebäuden und Privatwohnungen. Sein Privatleben und seine Beziehungen zu Frauen als auch das Leben seiner Kinder waren für die Medien in Pjöngjang tabu.
Über Kims Politik wurde oftmals nur spekuliert. Vieles, was die Außenwelt über den im Schatten des „Übervaters“ Kim Il Sung aufgestiegenen Machthaber wusste, stammte aus der Propaganda-Mühle Pjöngjangs. Die Abschottung des Landes förderte jedoch Spekulationen im Ausland und ein Negativbild des Staatschefs. In den westlichen Medien wurde Kim, der an einer Herzschwäche gelitten haben soll, oft als Lebemann dargestellt, der gutes Essen, Autos und schöne Frauen liebt und dem Alkohol zugetan ist. Auch wurde Kim eine zwielichtige Rolle bei der Planung von Terroranschlägen gegen Südkorea nachgesagt. Pjöngjang tat dies stets als westliche Verleumdungspropaganda ab.
In Erinnerung bleibt aber auch ein historisches Treffen zwischen Kim Jong Il und Kim Dae Jung im Juni 2000 in Pjöngjang. Der Gipfel galt als wichtiger Schritt der Annäherung im geteilten Korea. Aber die Hoffnung auf Aussöhnung hat sich nicht erfüllt.