Analyse: Das Problem der Opposition mit der Kirche

Berlin (dpa) - Gregor Gysi will ihn nicht, und auch sein Grünen-Kollege Jürgen Trittin hält den päpstlichen Segen für wenig hilfreich. „Das wäre ja ein bisschen frech, wenn ich das machte“, sagt Linke-Fraktionschef Gysi unter Verweis auf seine unreligiöse Einstellung.

So wird er das Angebot des Segens von Benedikt XVI. für die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag nicht wahrnehmen. Und viele seiner Abgeordneten gehen lieber zur Anti-Papst-Demo statt zur Papst-Rede im Bundestag.

Während die Linkspartei vor dem Hintergrund der DDR-Sozialisation vieler Mitglieder, aber auch wegen der Kirchenferne eines Großteils der westdeutschen Mitglieder wenig mit dem Besuch anfangen kann, ist das Bild bei SPD und Grünen uneinheitlicher.

Bei den Grünen ist da etwa der gläubige Katholik Winfried Kretschmann, der sich als baden-württembergischer Ministerpräsident freut auf Benedikts Besuch in Freiburg. Und Katrin Göring-Eckardt ist die Vorsitzende der Synode der Evangelischen Kirche. Bei der SPD ist Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse Mitglied des Zentralkomitees deutscher Katholiken.

Schon ein Blick auf die Konfessionen der Abgeordneten zeigt: Bei der Linken gibt nur eine Abgeordnete laut Deutschem Bundestag offen an, katholisch zu sein. 13 Linke sind demnach konfessionslos, 2 sind offen bekennende Atheisten. Bei der SPD geben 22 an, Katholiken zu sein, 44 sind evangelisch. Bei den Grünen bekennen 11 Abgeordnete evangelisch zu sein, 9 sind katholisch. Zum Vergleich: Aus Reihen der Union geben 131 Abgeordnete an, dass sie katholisch sind.

Zwar ist der Katholizismus im Oppositionslager nicht sehr verwurzelt, aber besonders die SPD kann auf eine lange Geschichte einer Annäherung zur katholischen Kirche zurückblicken. Dreh- und Angelpunkt für das heute entkrampfte Verhältnis sind die 50er und 60er Jahre. Um Unionswähler zu gewinnen, war angesichts der damals stärkeren Gläubigkeit eine Annäherung an die Kirche unabdingbar.

1959 wurde im Godesberger Programm der SPD der katholischen Kirche das Angebot einer freien Partnerschaft gemacht. Auf Seiten der Katholiken wurde gewarnt, dass das Ganze nur Wahlkampfrhetorik sei. Von einem Größenwahn der Funktionäre war laut „Zeit“ die Rede, „die ihre von Marx gegründete Parteibuchgemeinschaft mit der von Gott eingesetzten Kirche auf die gleiche Ebene stellen wollen“.

Es gelang aber fortan, das Verhältnis zu entkrampfen. 1964 wurde eine SPD-Delegation unter Leitung des Parteivizes Fritz Erler zu einer Audienz bei Papst Paul VI. empfangen. Zudem kam es zum Abschluss eines Konkordats zwischen dem Vatikan und der SPD-geführten Landesregierung Niedersachsens, das die Öffnung neuer Bekenntnisschulen rechtsverbindlich festlegte.

Bei der Bundestagswahl 1969 hatte die Union zwar mit 62 Prozent gegenüber 31 Prozent für die SPD immer noch einen doppelt so hohen Stimmenanteil unter katholischen Wählern. Erstmals gelang es der SPD jedoch, die Union in katholische geprägten städtischen Gebieten zu überflügeln - das war die Basis dafür, dass mit der FDP die erste sozial-liberale Koalition gebildet werden konnte.

Hier kam es aber wegen des Streits um den Abtreibungsparagrafen 218 zu neuen Dissonanzen, jedoch kam es nicht mehr zu einem Rückfall in altes Lagerdenken.

Man blieb im Gespräch - heute hängt der Streit um den Papst-Besuch auch mit der Person Benedikts zusammen. Auf politischem Feld sehen viele Linke den Papst als Verbündeten, wenn es um Kritik an der Macht der Märkte und der Auswüchse des Kapitalismus geht. Auf die Frage aber, ob auch ein SPD-Bundestagspräsident den Papst eingeladen hätte, antwortet der Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann ausweichend und etwas salopp: „Der Papst kommt nur einmal in 1000 Jahren in den Bundestag, daher stellt sich die Frage nicht.“

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