Analyse: Ein kleines bisschen Reue
Berlin (dpa) - Hat de Maizière in der Drohnen-Affäre gelogen? Einen Beweis dafür bringt die Vernehmung des Ministers im Drohnen-Ausschuss nicht. Er spricht von einer Unterstellung, räumt aber Fehler ein.
Die Opposition hält hartnäckig an ihrem Vorwurf fest.
Rainer Arnold geht gleich in die Vollen. „Das macht mich fassungslos, wie Sie heute versucht haben, ihre Lüge mit einer neuen Lüge zurückzuweisen“, leitet der Chefaufklärer der SPD im Drohnen-Untersuchungsausschuss seine Befragung von Verteidigungsminister Thomas de Maizière ein.
Damit will er erst gar keine Zweifel aufkommen lassen, worum es in diesem Gremium, dass sich nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl eilig konstituiert hat, in erster Linie geht. Nicht um die Verschwendung von Steuergeldern bei einem Rüstungsprojekt. Nicht um strukturelle Probleme im Beschaffungswesen der Bundeswehr. Sondern, wie Arnold sagt: „Ist es wahr, was Sie gesagt haben, oder ist es nicht wahr, das müssen wir hier mal klären.“
Der Minister hat vorher in einer Eingangserklärung versucht, der Opposition ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen - durch ein kleines bisschen Reue. In den vergangenen Wochen waren immer wieder neue Dokumente aufgetaucht, die den Verdacht nahelegten, dass der Minister doch besser über die Probleme bei dem gescheiterten Rüstungsprojekt „Euro Hawk“ informiert war, als er es in einer ersten Stellungnahme zu der Affäre am 5. Juni vorgegeben hatte.
Alle paar Tage wurde in den Medien aus einem neuen Papier zitiert. Fast zwei Monate lief das so. Erst im Ausschuss räumt der Minister ein: „Im Rückblick sage ich heute: Ich bedauere, dass ich mich am 5. Juni nicht klarer ausgedrückt habe.“ Er habe nicht den Eindruck vermitteln wollen, er habe bis zum Stopp des Projekts Mitte Mai von nichts gewusst - eine späte Entschuldigung.
Also war jetzt alles nur ein Missverständnis? So einfach ist das nicht. De Maizière hatte seine Stellungnahme vom 5. Juni drei Wochen lang von einer 40-köpfigen Arbeitsgruppe vorbereiten lassen. Er hatte sich dazu entschlossen, die Entscheidungsfindung in seinem Haus zu kritisieren und sich sogar personelle Konsequenzen vorbehalten. Diese Strategie war mit Bedacht gewählt.
Mitarbeiterschelte ist für einen Politiker in seiner Position aber immer gefährlich. Die Debatte drehte sich fortan nur noch darum, und aus de Maizières Perspektive lief sie völlig aus dem Ruder. Es ging nicht mehr um den späten Stopp des „Euro Hawk“-Projekts und die Folgen für den Steuerzahler, sondern nur noch darum: Wann wusste de Maizière was? Hat er die Wahrheit gesagt?
Über diese Fragen bringt auch der letzte Tag der Zeugenvernehmungen im Ausschuss keine endgültige Klarheit. De Maizière lässt sich nicht aus der Reserve locken. Klar ist: Er hatte auch vor dem 13. Mai 2013 Informationen über die Probleme beim „Euro Hawk“-Projekt. Sie standen zum Beispiel in einem Bericht zu verschiedenen Rüstungsthemen, die de Maizière vor dem Besuch des Herstellers der Drohnen-Aufklärungstechnik Cassidian erhielt.
De Maizière räumt ein, dass er diesen Bericht gelesen hat. Er besteht aber darauf, dass es einer speziellen „Vorlage“ zur „Euro Hawk“-Problematik bedurft hätte, um ihn in das Projekt einzubinden. „Die Mitarbeiter packen den Minister voll mit jeder Menge Papieren“, sagte er. Es könne nicht angehen, dass sie sich durch Hinweise auf Probleme in einer allgemeinen Informationsmappe zu entlasten versuchten.
Personelle Konsequenzen behält sich de Maizière weiter vor. Derjenige, der für die Informationsweitergabe an ihn zuständig ist, hatte am Vortrag im Ausschuss den Kopf für ihn hingehalten: Stéphane Beemelmans, ein langjähriger Vertrauter des Ministers. Zu dessen beruflicher Zukunft äußert sich de Maizière nicht. Stattdessen dankt er dem 47-Jährigen seine Loyalität mit einem dicken Lob. Beemelmans habe „überragende Verdienste bei der Neuausrichtung der Bundeswehr und insbesondere bei der Neuausrichtung des Rüstungsbereichs“.
Der Opposition hat unter dem Strich weiterhin nur Indizien für ihren Vorwurf der Täuschung und Lüge, der schlagende Beweis bleibt auch am Mittwoch aus. De Maizière weist den Vorwurf als Unterstellung zurück. Der SPD-Aufklärer Arnold bleibt dagegen dabei: „Es ist einfach nicht wahr, dass er nichts gewsst hat.“ Und der Grünen-Politiker Omid Nouripour meint: „De Maizière zeigte sich leseschwach, unzuständig und ahnungslos. Der Minister machte heute nur den Eindruck eines überforderten armen Mannes.“
Der Untersuchungsausschuss erarbeitet nun bis zum 31. August seinen Abschlussbericht, zu dem es mindestens ein Minderheitenvotum der Opposition geben wird. Der Bundestag debattiert in der ersten Septemberwoche darüber, dann folgt die Wahl. Bis dann wird de Maizière aller Wahrscheinlichkeit nach Minister bleiben. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich zu klar und häufig hinter ihn gestellt, als dass sie es sich noch einmal anders überlegen könnte.