Analyse: FDP auf „Achterbahn des Lebens“

Düsseldorf (dpa) - Jürgen Möllemann sprach gern von der „Achterbahn des Lebens“. In schweren Zeiten tröstete er seine Partei mit den Worten, dass es nach der Kurve immer wieder bergauf gehe. Darauf setzt die FDP nun all ihre Hoffnung.

Für die überraschend anstehende Neuwahl in Nordrhein-Westfalen braucht die Partei dringend eine Lichtgestalt. Sollte die FDP im bevölkerungsreichsten Bundesland und möglicherweise auch im Saarland und in Schleswig-Holstein den Wiedereinzug in den Landtag verpassen, hätte das gravierende Auswirkungen für die Bundespartei.

Für die Spitzenkandidatur in NRW werden bei den Freidemokraten drei Namen gehandelt: Landesparteichef und Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, Landtagsfraktionschef Gerhard Papke und Christian Lindner, zurückgetretener Generalsekretär und einstiger FDP-Hoffnungsträger. Bislang halten sich alle drei bedeckt. Es gilt in Parteikreisen als sicher, dass in Kürze eine Entscheidung fällt.

Gegen Lindner spricht, dass er nach seinem überraschenden Rückzug aus dem Parteiamt in Ungnade gefallen ist. Die einstige „Boy Group“, die „jungen Milden“ um Lindner, Bahr und Parteichef Philipp Rösler, ist sich seitdem nicht mehr richtig grün. Lindner müsste als Spitzenkandidat im mächtigsten FDP-Landesverband aber Wahlkampf als Teil des zerbrochenen Trios machen.

Andererseits hat sich die NRW-FDP traditionell eher wenig um Wünsche der Bundespartei gekümmert und ist oft ausgeschert. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass sie auf Lindners Elan und Charisma setzt. „Den Mutigen gehört die Zukunft“, hat Bahr bereits als Parole ausgegeben.

Möllemann empfahl für Krisensituationen folgendes Rezept: „Wir sind alle Engel mit einem Flügel. Wir müssen einander unterhaken, damit wir fliegen können.“ Lindner gilt als gefallener Engel. Gerade solche Figuren liebt man in NRW. Und Lindner ist ein politisches Ziehkind Möllemanns, erlebte vor allem an dessen Seite hautnah das ständige Wechselbad zwischen Aufstieg und Fall mit.

Die selbstbewusste NRW-FDP ist politische Heimat vieler führender Freidemokraten gewesen. Ihr gehören die früheren Bundesparteichefs Hans-Dietrich Genscher und Guido Westerwelle an, aber auch liberale Urgesteine wie der frühere NRW-Innenminister Burkhard Hirsch und Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum. Vordenker wie der ehemalige NRW-Forschungsminister und Landeschef Andreas Pinkwart haben sich im Tal der Tränen anders orientiert: Pinkwart wechselte nach der verlorenen Landtagswahl 2010 in die Wissenschaft.

In NRW gebar Möllemann „das Projekt 18“ - ein bundesweites Wahlziel, das Westerwelle einst sogar unter seinen Schuhsohlen trug. Inzwischen dümpelt die FDP im Bund wie in NRW bei nur noch 2 Prozent. Dabei hatte sie bei der Bundestagswahl 2009 noch ein Rekordergebnis von 14,6 Prozent eingefahren.

Achterbahn fuhren die Liberalen vor allem auch in NRW: 1980 und 1995 flogen sie aus dem Düsseldorfer Landtag. Kurz vor der Wahl 1995 jagte der Landesvorstand Möllemann aus dem Amt des FDP-Landeschefs. Ein Jahr später holte die Basis den von Parteifreunden als „Quartals-Irrer“ geschmähten Möllemann wieder an die Spitze zurück.

Es folgten Skandale um populistische Wahlkampfinszenierungen mit Hitler-Plakaten, ein mit dubiosen Geldern finanziertes Flugblatt mit antiisraelischen Inhalten, illegale Parteispenden, Skandale um schwarze Kassen und Möllemanns erzwungener Rückzug aus Partei und Landtagsfraktion.

Doch wie so oft in ihrer Geschichte, erholte sich die FDP auch von diesem Desaster. Bei der Landtagswahl 2005 verhalf sie der CDU nach fast 40 Oppositionsjahren zum Machtwechsel in NRW und stürzte Rot-Grün. Eine schwarz-gelbe Ära wurde daraus aber nicht. 2010 übernahm die Sozialdemokratin Hannelore Kraft das Ruder einer rot-grünen Minderheitsregierung. Zuvor waren Gespräche über eine Ampel-Koalition an der FDP gescheitert.

Dass die FDP hart auf ihrem Sparkurs beharrte und der Minderheitsregierung in den Haushaltsberatungen nicht half, könnte sie nun einmal mehr ihre parlamentarische Existenz kosten. „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“, spottete die CDU.