Analyse: Heynckes knackt den Barça-Code

Barcelona (dpa) - Jupp Heynckes hatte „natürlich wenig geschlafen“ nach dieser aufwühlenden Fußball-Nacht im Camp Nou. 100 000 Zuschauer waren Zeuge gewesen, wie „Don Jupp“, der ausgewiesene Spanien-Kenner, mit dem FC Bayern ein zweites Mal den Barça-Code knackte - 3:0 in Barcelona nach dem 4:0 in München, 7:0 im Gesamtergebnis.

„Die Mannschaft spielt fantastischen Fußball in dieser Saison“, schwärmte Heynckes am Donnerstag im Flughafen von Barcelona. Es klang wie eine Liebeserklärung an seine Spieler: „Wir haben eine wunderbare Harmonie, wir bewegen uns auf Weltniveau.“ Und das diktiert nicht mehr das jahrelange Vorbild FC Barcelona, sondern die Heynckes-Bayern - und die Dortmunder Himmelsstürmer seines Finalgegners Jürgen Klopp.

Vor einem Jahr, nach dem verlorenen Endspieldrama im eigenen Stadion gegen den FC Chelsea hätten nicht wenige in München den 67-jährigen Heynckes in den Ruhestand gewünscht. Aber der Trainer stand wieder auf, er bekam für viele Millionen Euro neue Spieler, er drehte an jedem Schräubchen und erfand auch sich selbst neu.

Heynckes gelang es sogar, die DNA der Offensivgeister Ribéry und Robben zu verändern, „die nie das Umschaltspiel haben ausüben müssen“, wie er neulich mal erzählte. Das Wechseln zwischen Angriff und Abwehr habe man jetzt „perfektioniert“, mit einem Ribéry und einem Robben, die mit nach hinten malochen wie niemals zuvor. Und so schickt Heynckes sich an, auf der Zielgeraden seiner Karriere mit dem möglichen Triple all' das auf einen Schlag zu erledigen, was sein Nachfolger Pep Guardiola ab dem 1. Juli erledigen soll(te).

Heynckes brauchte im Halbfinale keine Tipps von Guardiola über jenes Barça, das vom künftigen Bayern-Coach zum besten Team der Welt erschaffen worden war. Und Heynckes will nun unbedingt den völligen Triumph für seine Mannschaft und sich selbst. „Wir haben den Hunger, den Ehrgeiz und die Motivation, die Saison zu krönen“, erklärte er zu den Endspielen in Wembley gegen den nationalen Erzrivalen Dortmund sowie im Berliner Olympiastadion gegen den VfB Stuttgart.

Das Pokalfinale am 1. Juni könnte sein letztes Spiel sein. Er selbst gibt immer klarere Zeichen für den erwarteten Rückzug im Sommer. Die Frage nach einer möglichen Rückkehr zu Real Madrid ließ tief blicken: „Ich werde am 9. Mai 68 Jahre alt“, antwortete er am Mittwochabend in Barcelona auf spanisch: „Ich bin dann 50 Jahre im Profi-Fußball als Spieler und Trainer, und ich glaube, eines Tages musst du darüber nachdenken, ja, es ist genug.“ Am Morgen danach wich er wieder aus. Es sei jetzt „nicht der Zeitpunkt“ für Zukunftsfragen: „Wir haben noch zwei Riesenherausforderungen.“

Am 25. Mai in London könnte er der dritte Trainer werden, der zum zweiten Mal die Champions League gewinnt, nachdem es ihm vor 15 Jahren mit Real Madrid gelungen war. Zweimal schafften es bislang nur Ottmar Hitzfeld (Dortmund 1997/Bayern 2001) und José Mourinho (FC Porto 2004/Inter Mailand 2010).

Heynckes glaubt fest an die Krönung in London mit dem FC Bayern, auch wenn es in einem Champions-League-Finale „keinen Favoriten“ gebe. Denn auch den BVB-Code konnte er in diesem Jahr im Pokal-Viertelfinale (1:0) schon erfolgreich entschlüsseln. Alle Voraussetzungen sieht er gegeben: „Wenn wir in der Art und Weise Fußball spielen wie im Moment, haben wir gute Chancen, das Finale zu gewinnen.“