Analyse: Im Syrien-Konflikt gibt es nur noch schlechte Lösungen

Istanbul (dpa) - Burhan Ghaliun sieht verbittert und frustriert aus. Der Vorsitzende des Syrischen Nationalrates (SNC) kommt zusammen mit einer Handvoll weiterer Oppositioneller gerade von einem Treffen mit dem türkischen Außenminister Ahmed Davutoglu.

Der Minister hat sein Entsetzen über das Massaker von Al-Hula ausgedrückt. Doch vor einem eigenmächtigen direkten Eingreifen in Syrien schreckt die Türkei ebenso zurück wie die anderen Mitglieder der sogenannten Kontaktgruppe der Freunde Syriens. Denn die Situation ist inzwischen nach Einschätzung von Experten so verfahren, dass es nur noch schlechte Lösungen gibt, für die kein Politiker seine Karriere riskieren mag.

Auch Ghaliun wirkt verzweifelt, als er mit einer „Befreiungsschlacht“ droht, falls sich die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates mittelfristig nicht zu einer Militäroperation durchringen können.

US-Präsident Barack Obama setzt zwar angeblich immer noch auf die „jemenitische Lösung“, bei der Präsident Baschar al-Assad für eine Übergangszeit die Macht an einen Funktionär seines Regimes übergeben würde. Doch diese Idee gehört nach Einschätzung der syrischen Protestbewegung ins Land der Fantasie. „Zu Beginn wäre das vielleicht noch möglich gewesen, aber inzwischen ist zu viel Blut geflossen“, sagt ein Oppositioneller, der im vergangenen Jahr in die Türkei geflüchtet war.

Die westlichen Regierungen haben bisher offiziell keine andere Strategie als den Friedensplan von Kofi Annan, der aus Sicht der Opposition „zu einem Deckmantel für die Gräueltaten des Regimes geworden ist“. Vielleicht hoffen einige von ihnen insgeheim auf einen Putsch in Damaskus. Doch in einem paranoiden Spitzelsystem wie in Syrien ist das ein risikoreiches Unterfangen.

Bis zum 22. Juli sollen die UN-Militärbeobachter noch in Syrien bleiben. Bislang gibt es keine Mechanismus, um vor diesem Termin Bilanz zu ziehen und zu entscheiden, ob eventuell andere Maßnahmen notwendig wären.

So bleiben aus Sicht der Assad-Gegner nur die von sunnitischen Monarchen mit mehr oder weniger starkem islamischen Profil regierten Golfstaaten übrig. Denn diese undemokratischen Regime bieten Geld, Waffen und politische Unterstützung an. Doch obwohl die Mehrheit der syrischen Bevölkerung und damit auch der Opposition der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam angehört, haben viele Regimegegner Angst vor den Folgen der Hilfe vom Golf. Afghanistan und der Irak, zwei Staaten, die zum Sammelbecken für kampfeswillige „Gotteskrieger“ aus der gesamten arabischen Welt wurden, sind für sie abschreckende Beispiele.

„Eine willkürliche Bewaffnung, die ungeordnet und ohne politische Kontrolle abläuft, ist nicht das, was wir wollen“, sagt der stellvertretende Vorsitzende der syrischen Muslimbruderschaft, Mohammed Faruk Taifur, der Mitglied des SNC-Exekutivkomitees ist. Doch fragt überhaupt noch jemand danach, was dieser Nationalrat will, der von den lokalen Revolutionskomitees und den Kämpfern vor Ort immer mehr Kritik einstecken muss?

„Wir haben im Norden schon viele Gebiete unter unserer Kontrolle“, erklärt ein junger Mann mit spärlichem Bartwuchs und Baseball-Kappe, der gerade aus Syrien in die Türkei zurückgekehrt ist. Wer „wir“ ist, sagt er nicht.

An diesem Montag - drei Tage nach dem Tod der Kinder von Al-Hula - veröffentlichen sechs bekannte Religionsgelehrte aus Saudi-Arabien einen Spendenaufruf. Von Waffenkäufen ist in ihrem Appell an die Solidarität der muslimischen Brüder nicht die Rede, doch bleibt unklar, wofür das Geld verwendet werden soll. In einem Internet-Forum syrischer Regimegegner heißt es derweil: „Wir werden ab sofort Truppentransporte und Straßensperren angreifen - alle Zivilisten sollen sich bitte von diesen Angriffszielen fernhalten.“

Ghaliun weiß, dass er die Radikalisierung in seinem Heimatland nicht stoppen kann. Müde und ernst setzt er sich in einem Istanbuler Hotel alleine hinter einen kleinen Tisch, um für die Presse eine Erklärung zu verlesen. „Hättet ihr nicht wenigstens eine syrische Fahne auftreiben können?“, murrt er. Die anderen SNC-Mitglieder zucken ratlos mit den Schultern.

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