Analyse: Italien - Verschuldet seit der Währungsunion
Rom (dpa) - Italien stürzt die Europäische Gemeinschaft in neue Sorgen: Sollte das Land nach Irland, Portugal und Griechenland nun als nächstes in den EU-Schuldenstrudel geraten? Regierungschef Silvio Berlusconi demonstriert weiter Optimismus, eine „griechische Tragödie“ sei ausgeschlossen.
Doch bleiben Analysten und Kritiker skeptisch: Ein in Rom geplantes Milliarden-Sparpaket muss noch durchs Parlament, innenpolitische Streitigkeiten im Land signalisieren Instabilität. Zudem kündigte der Premier an, 2013 nicht mehr anzutreten.
Italien gehört mit Spanien zu den EU-Ländern, die als Wackelkandidaten in der Schuldenkrise gehandelt werden. Nach Griechenland hat das Land den zweithöchsten Schuldenstand der Euro-Zone: Nach letzten Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) im laufenden Jahr 120,6 Prozent, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP).
Die Ratingagentur Moody's drohte mit einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit, sollte Italien seine Schulden nicht in den Griff bekommen. Standard & Poor's (S&P) erklärte das Sparpaket für nicht überzeugend. Was die Kritiker am meisten besorgt, sind die strukturellen Defizite und Wachstumsschwächen des Landes. Nach einer Steigerung des BIP 2010 auf 1,3 Prozent wird in Italien im laufenden Jahr erneut mit einem Abfall von 1,0 Prozent gerechnet. Nach Einschätzung der OECD hat das „Belpaese“ erst 2014 wieder Chancen, das Vorkrisenniveau von 2007 zu erreichen. Der ehemalige EU-Kommissar für Wettbewerb, Mario Monti, schreibt diese Defizite vor allem Berlusconi auf die Rechnung.
Italien ist zwar nicht erst seit gestern verschuldet. Seit seinem Eintritt in die Währungsunion, den der damalige Regierungschef Romano Prodi gemeinsam mit seinem Wirtschaftsminister Carlo Azeglio Ciampi wider alle Erwartungen vollbrachte, fiel die Verschuldung trotz aller Versprechungen niemals unter 100 Prozent vom BIP. Erlaubt wären in der Eurozone eigentlich nur 60 Prozent. Berlusconi hätte jedoch als erster Politiker der italienischen Nachkriegszeit die Mehrheiten gehabt, Reformen durchzusetzen. Seine Gegner kritisieren, er habe sich mehr um seine Justiz- und Sexskandale gekümmert.
„Es war ein gravierender Fehler von Berlusconi, in den vergangenen Jahren keinerlei Wachstumsprogramme zu verfolgen“, so Monti. Die BIP-Schwäche schlage nun zu Buche und mache etwa die von Berlusconis Bündnispartner Lega Nord unter Krisenandrohung geforderten Steuersenkungen unmöglich.
Mit dem Sparprogramm von Wirtschaftsminister Giulio Tremonti, das Berlusconi bis Ende Juli per Vertrauensabstimmung durchs Parlament boxen will, soll nun „die Katastrophe“ vermieden werden. Einsparungen von 1,5 Milliarden Euro schon im laufenden Jahr, 5,5 Milliarden 2012 und jeweils 20 Milliarden in den Jahren 2013 und 2014 sind vorgesehen. Die dramatischen Einschnitte fallen allerdings bei regulären Wahlen im Frühjahr 2013 erst in die nächste Legislaturperiode.
Nicht nur die linke Opposition warnt zudem vor einem „sozialen Kahlschlag“. Tremontis Maßnahmen würden das „Land in die Knie zwingen“, erklärte die Chefin der größten italienischen Gewerkschaft CGIL, Susanna Camusso. Gespart werde immer nur bei den sozial Schwächeren - im Gesundheitswesen, auf dem Bildungssektor. Angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von im März 28,6 Prozent aller 15- bis 24-jährigen seien Berlusconis Versprechungen, die Kosten der Krise „nicht auf die kommenden Generationen abwälzen zu wollen“, der reinste Hohn.
Und die Strukturprobleme des in reichen Norden und armen Süden geteilten Landes bleiben ungelöst. Das Rasenmäher-Prinzip sei gefährlich gerade für das Wachstum, warnte der zukünftige EZB-Chef und Noch-Präsident der italienischen Nationalbank, Mario Draghi. „Es ist nicht ratsam, überall gleichzeitig zu kürzen“, sonst müsse man mit einem weiteren Abfall des BIP um bis zu zwei Prozentpunkten rechnen.