Analyse: Kein einfacher Gast: Irritationen vor Xi-Besuch
Berlin/Peking (dpa) - Der Wunsch löste auf deutscher Seite erhebliche Irritationen aus: Im Vorfeld des ersten Besuchs von Chinas neuem Staats- und Parteichef in Deutschland brachte die chinesische Seite die Idee auf, Xi Jinping könne doch das Holocaust-Mahnmal besuchen, wie informierte Kreise der Nachrichtenagentur dpa berichteten.
Sofort läuteten in Berlin die Alarmglocken: Xi Jinping könnte die Visite benutzen, um Japan unter Hinweis auf den aufgeschlossenen Umgang der Deutschen mit ihrer Nazi-Geschichte vielleicht eine Lektion in Vergangenheitsbewältigung zu erteilen. Höflich wurde das Ansinnen zurückgewiesen, um nicht in die Propagandaschlacht gezogen zu werden.
Für Berlin kommt der Besuch in einer schwierigen Lage. Weil das Verhältnis zu Russland wegen der Krim-Krise derzeit so schlecht ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr, werden die Beziehungen zu China im Inland wie im Ausland besonders aufmerksam beäugt. Kritische Töne zum russischen Vorgehen sind von Präsident Xi Jinping aber nicht zu erwarten. Er hält sich lieber heraus. Auch wenn China gute Beziehungen zur Ukraine pflegt und grundsätzlich Nichteinmischung propagiert, obsiegt doch die strategische Partnerschaft zu Russland.
Die Vorbereitungen für den ersten Staatsbesuch aus China seit acht Jahren bereiteten somit nicht nur dem Kanzleramt, sondern auch dem Bundespräsidialamt leichte Kopfschmerzen. Für Bundespräsident Joachim Gauck ist Xi kein einfacher Gast. Nach seinem Boykott der Winterspiele in Sotschi steht er vor der Aufgabe, den Führer eines Landes zu hofieren, das ähnlich wie Russland erhebliche Menschenrechtsprobleme hat.
Xi Jinping will bei seinem Deutschlandbesuch Wirtschaftsthemen vorantreiben. In seinem Tross reisen rund 200 Beamte und Firmenvertreter durch Europa. In Frankreich wurden 50 Vereinbarungen mit einem Gesamtvolumen von 18 Milliarden Euro geschlossen. Auch deutsche Konzerne wollen den Besuch für neue Deals mit China nutzen.
Besonders am Finanzplatz Frankfurt am Main sind mit dem Besuch des chinesischen Staatschefs in Deutschland Hoffnungen verbunden. Seit Mittwoch ist bekannt, dass der Konkurrent London als erste Finanzmetropole in Europa zum Handelsplatz für die chinesische Währung Yuan (oder Renminbi) wird. Doch auch Frankfurt könnte dem Vernehmen nach schon am Freitag den Zuschlag als Yuan-Handelsplatz bekommen.
Informierte Kreise sind bemüht, die Unstimmigkeiten um den Programmpunkt Holocaust-Mahnmal herunterzuspielen. Die Europäer haben aber wenig Zweifel, dass Xi Jinping seine Europareise dazu nutzen will, um Stimmung gegen Japan zu machen. Die Beziehungen der beiden asiatischen Nachbarn sind höchst angespannt.
Natürlich könne sich Xi Jinping das Mahnmal „privat“ ansehen, wird von deutscher Seite hervorgehoben. „Aber wenn das Holocaust-Denkmal für einen symbolischen diplomatischen Akt, der an Drittländer adressiert ist, eingesetzt werden soll, kann die deutsche Seite dies nicht unterstützen“, erklärt der Direktor des neu gegründeten Mercator-Instituts für China-Studien (MERICS) in Berlin, Sebastian Heilmann. Die Gedenkstätte für die ermordeten Juden „darf nicht in diplomatischen Konflikten instrumentalisiert werden.“
China und Japan sollten auch nicht „über Bande spielen“, um international Unterstützung zu sammeln, sondern direkt miteinander verhandeln, sagt Heilmann. In dem Inselstreit ergreift Deutschland auch keinerlei Partei. Ein hoher Diplomat sagt: „Es ist uns völlig egal, wem diese Inseln gehören.“ Beide sollten ihre Problemen nur friedlich durch Dialog lösen.