Obama erwartet von Europäern mehr Abgrenzung von Moskau
Brüssel/Sewastopol (dpa) - US-Präsident Barack Obama hat die Europäer im Konflikt um die Ukraine zu einer stärkeren Abgrenzung von Russland aufgefordert.
Nach einem Treffen mit der Spitze der Europäischen Union verlangte Obama am Mittwoch in Brüssel, die EU-Staaten müssten mehr für eine unabhängige Energieversorgung und die Sicherung ihrer Verteidigungsfähigkeit tun: „Die Lage in der Ukraine erinnert uns daran, dass Freiheit nicht kostenlos ist.“ Russland kündigte an, seine Militärpräsenz auf der Krim zu verstärken.
Wie schon am Vortag in Den Haag lobte Obama den engen transatlantischen Schulterschluss. Europa sei der engste Partner Amerikas, betonte er: „Europa ist der Eckpfeiler unseres Engagements rund um den Globus.“ Die USA und Europa seien bereit, Russland mittels Sanktionen bezahlen zu lassen, falls Moskau die Lage in der Ukraine weiter destabilisiere.
Zugleich legte er den Europäern nahe, sich in der Energieversorgung auf eigene Füße zu stellen und dabei auch über die Förderung von Schiefergas nachzudenken. Das sogenannte Fracking hat in den USA zu einem Energieboom geführt, in Europa ist es wegen starker Umweltbelastungen aber sehr umstritten. Obama machte deutlich, dass die USA nicht die Energieversorgung der EU sichern könnten: Es gebe „keine perfekte, ideale und billige Energiequelle“.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso begrüßte das Vorgehen der USA: „Es ist eine gute Nachricht, dass die USA Schiefergas auf den Weltmarkt bringen.“ Nach den Worten Obamas wird das geplante transatlantische Freihandelsabkommen es den USA „sehr viel leichter“ machen, Lizenzen für den Gasexport zu vergeben.
Moskau reagierte gelassen. Immer wieder sei zu hören, russisches Gas sei angeblich zu teuer, sagte Moskaus EU-Botschafter Wladimir Tschischow der Agentur Interfax zufolge. Aber: „Gas etwa von North Dakota nach Europa zu verschiffen, wird noch viel teurer sein.“ Szenarien eines „Gas-Krieges“ zwischen Russland und dem Westen nannte er „Horrorgeschichten, die der politischen Fantasie entspringen“.
Der US-Präsident forderte die Europäer auf, auch in puncto Verteidigung mehr zu tun. Die gemeinsame Verteidigung innerhalb der Nato sei „der Eckpfeiler unserer Sicherheit“. Obama sagte, er sei in der Vergangenheit besorgt gewesen über die verringerten Verteidigungsausgaben vieler Verbündeter. „Jeder muss bereit sein, für Geräte, Personal und Ausbildung zu bezahlen“, betonte er. Nach einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Abend unterstrich Obama erneut die große Bedeutung der Militär-Allianz.
In einer feierlichen Grundsatzrede zum Abschluss seines Besuches in Brüssel begründete Obama anschließend ausführlich, warum die Welt die Annexion der Krim nicht akzeptieren dürfe. „Russlands Führung greift Wahrheiten an, die noch vor Wochen selbstverständlich waren: dass im 21. Jahrhundert die Grenzen in Europa nicht mit Gewalt neu gezeichnet werden können“, sagte er im Brüsseler Bozar-Kunst- und Kulturzentrum.
Nach der Annexion der Krim will Russland seine Militärpräsenz auf der strategisch wichtigen Schwarzmeer-Halbinsel massiv verstärken. Geplant sei, bis 2016 mehrere Überschallbomber vom Typ Tupolew Tu-22M3 sowie Jagdflugzeuge auf die Krim zu verlegen, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums in Moskau. 2017 soll dann auch ein neuer Hubschrauberträger in Sewastopol ankern. Die Stadt soll zum Hauptstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte ausgebaut werden.
Am Morgen hatte US-Präsident Obama den US-Soldatenfriedhof in Waregem besucht, wo er mit Belgiens König Philippe und dem Premier Elio Di Rupo zusammentraf. Anlass war der Beginn des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren. „Die Lehren dieses Krieges gelten für uns weiterhin“, sagte Obama und verwies auf die aktuelle Situation in Syrien. „Unsere Nationen sind Teil eines internationalen Einsatzes, um Syriens Chemiewaffen zu zerstören. Die selben Waffen, die mit einem solch fürchterlichem Effekt auf diesen Feldern hier benutzt wurden.“
Die Bundesregierung ist bemüht, den Ukraine-Konflikt nicht weiter anzuheizen. „Wir sind zu der Stufe der wirtschaftlichen Sanktionen mit Ausnahme der Produkte der Krim nicht gekommen. Und ich hoffe, dass das auch vermieden werden kann“, sagte Kanzlerin Angela Merkel am Mittwochabend nach einem Gespräch mit der südkoreanischen Präsidentin Park Geun Hye in Berlin.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier warb bei einem Besuch in Angola für einen neuen Anlauf zur Bildung einer internationalen Kontaktgruppe. Regierungssprecher Steffen Seibert verurteilte die Todesdrohungen der ukrainischen Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko gegen Kremlchef Wladimir Putin. In einem offenbar abgehörten Telefonat hatte sie gesagt: „Ich bin selbst bereit, eine Kalaschnikow in die Hand zu nehmen und dem Dreckskerl in den Kopf zu schießen.“
Siemens will trotz des angespannten Verhältnisses zwischen Moskau und Berlin weiter in Russland investieren. „Wir setzen auf eine langfristige Wertepartnerschaft“, sagte Vorstandschef Joe Kaeser bei einem Treffen mit Putin in der Präsidentenresidenz Nowo-Ogarjowo bei Moskau. Die Bundesregierung bietet deutschen Unternehmen unverändert an, Exportgeschäfte in Russland und der Ukraine abzusichern.