Report: Ukraine-Krise bringt USA und Europa näher zusammen
Brüssel (dpa) - Die Spähaffäre um den US-Geheimdienst NSA belastete das Verhältnis zwischen Europa und Washington. Angesichts der Krise um die Ukraine werden die transatlantischen Bande nun wieder gestärkt.
Eineinhalb Stunden für die Europäische Union - das reicht für Barack Obama. Trotz der knapp bemessenen Zeit vermittelt der US-Präsident beim Gipfeltreffen mit den Europäern seine Botschaften ebenso klar wie verbindlich.
Zunächst beschwört der Herr des Weißen Hauses im klotzigen Brüsseler EU-Ministerratsgebäude die transatlantische Partnerschaft: „Die Welt ist sicherer und gerechter, wenn Europa und Amerika zusammenstehen.“ Dies sei in der Krise um die Ukraine der Fall.
In der Tat ziehen Europa und die USA bei Strafmaßnahmen gegen Moskau an einem Strang. „Falls es eine weitere Eskalation gibt, sind wir bereit, die Sanktionen zu verstärken“, resümiert EU-Ratschef Herman Van Rompuy nach dem Kurz-Gipfel.
Obamas zweites großes Thema lautet: Die Europäer müssen mehr tun. Und da ist er auf einmal ganz deutlich. Falls Europa unabhängiger vom russischen Gas werden wolle, müsse es auch an eigene Energiequellen denken. Dabei geht es dem ruhig und überlegt sprechenden Präsidenten explizit um Schiefergas. Gegen dessen Förderung („Fracking“) gibt es auf dem alten Kontinent wegen drohender Umweltgefahren vielerorts Proteste.
Die Datensicherheit spielt bei dem Spitzentreffen zwar eine Rolle, steht aber nicht im Mittelpunkt. Van Rompuy und der EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprechen nach den Enthüllungen über den US-Geheimdienst NSA die Sorgen der europäischen Bürger an. Ein Rahmenabkommen mit Washington zum privaten Datenschutz soll bis zum Sommer abgeschlossen werden.
Der Chef der Supermacht USA kam 20 Minuten zu spät zum Gipfel: Die Gastgeber, der stille Belgier Van Rompuy und Barroso, warten geduldig in der schmucklosen Eingangshalle und plaudern.
Dann fährt die schwarze Präsidentenlimousine „Cadillac One“ vor. Hektik, Unruhe - bis Helfer feststellen, dass gar kein Präsident im Auto sitzt. Der kommt wenige Minuten später in einer baugleichen Karosse. Gesteigerte Sicherheitsmaßnahmen dieser Art sind in der EU-Metropole völlig unüblich - auch wenn sich die 28 Staatenlenker der Union zum Gipfel treffen.
Schon beim ersten Auftritt am Vormittag setzt der Staatschef aus Washington Zeichen. Er schreitet inmitten von 368 weißen Kreuzen über den Rasen des US-Soldatenfriedhofs in Waregem, ein friedliches Fleckchen rund eine Autostunde westlich von Brüssel.
Gemeinsam mit dem belgischen König Philippe und Ministerpräsident Elio Di Rupo gedenkt er nicht nur der im Ersten Weltkrieg gefallenen Amerikaner. Er spricht auch eine klare Warnung für die Gegenwart aus: „Wir dürfen unsere Fortschritte niemals als selbstverständlich ansehen. Wie müssen uns beständig für Frieden einsetzen, der uns über die Ozeane hinweg verbindet.“
Die transatlantischen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte, die Lehren aus den Kriegen in Europa und das gemeinsame Ringen für Sicherheit und Stabilität danach - darauf kommt Obama bei seinem eintägigen Belgien-Besuch häufiger zurück.
Da Brüssel auch Sitz des Militärbündnisses Nato ist, macht Obama aus seinen Forderungen keinen Hehl. Die europäischen Verbündeten müssten mehr Geld für die gemeinsame Abschreckung und Verteidigung ausgeben. „Die Lage in der Ukraine erinnert uns daran, dass Freiheit nicht kostenlos ist“, lautet das Credo des Präsidenten.