Analyse: Kein Heiliger, aber Talent?

Brüssel (dpa) - Sein Auftritt dauerte gerade mal 36 Minuten - und gilt als eine Art Versuchsballon. Karl-Theodor zu Guttenberg, der einstige CSU-Superstar im Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel, macht nach seinem unrühmlichen Abgang als Minister wieder die ersten Schritte auf der politischen Bühne.

Als Ort dafür wählte er nicht Deutschland, wo es immer noch Kritik und Vorwürfe wegen Plagiaten in seiner Doktorarbeit hagelt, sondern Brüssel. Im Gebäude der EU-Kommission gab der 40-Jährige sein Debüt. Und versuchte, die aufkommende Debatte über seine Rückkehr in die deutsche Politik gleich im Keim zu ersticken: „Dies ist kein politisches Comeback.“

Nicht alle nehmen Guttenberg das ab. Kritiker sprechen vom Inszenierungsversuch eines gescheiterten Politikers und einem absurden Schauspiel. Die EU-Kommission halte dem Ex-Minister den Steigbügel, um seinen Namen reinzuwaschen, kritisiert FDP-Europapolitiker Alexander Alvaro.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagt: „Damit macht man den Bock zum Gärtner.“ Zurückhaltender geben sich EU-Diplomaten. Sie lassen lediglich verlauten, die Bundesregierung sei nicht involviert.

So musste sich die für Digitales zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes, die Guttenberg angeheuert hatte, bei dem gemeinsamen Auftritt die Frage gefallen lassen, ob sie hier einem gefallenen Minister einen neuen Job besorge. „Ich bin niemand, der Jobs für Leute schafft, die nicht mehr aktiv sind. ... Karl-Theodor ist ziemlich aktiv“, sagte die für ihre Durchsetzungskraft bekannte Kroes resolut. Sie selbst sei auf ihn zugekommen - und nicht umgekehrt.

Auffallend sprach Kroes „Karl-Theodor“ mit dem Vornamen an und legte ihm beim Verlassen des Saals vertraut die Hand auf die Schulter. Die niederländische Liberale war des Lobes voll über ihren neuen Berater, der derzeit für das US-amerikanische Institut Center for Strategic and International Studies (CSIS) arbeitet.

Kroes vertraut dem Deutschen nach eigenen Worten ohne Vorbehalt: „Andernfalls hätte ich ihn nicht gefragt.“ Auch sie selbst habe im Übrigen mehr aus ihren Fehlern gelernt als aus ihren Erfolgen, sagte die Kommissarin in Anspielung auf Guttenbergs abgeschriebene Passagen in seiner Doktorarbeit. „Er ist kompetent, er ist talentiert, er schaut über den Tellerrand.“ Sie brauche jemanden wie Guttenberg: „Ich suche nach Talent und nicht nach Heiligen.“

Doch ist Guttenberg, dessen Arbeit von Plagiatsjägern im Internet intensivst untersucht wurde, wirklich die richtige Galionsfigur für das freie Internet? In Sachen Netz hat sich der Ex-Minister bisher nicht als Experte hervor getan, er galt vielmehr als Befürworter von Internet-Sperren und der vorsorglichen Speicherung von Daten.

Guttenberg selbst sieht sich gut gerüstet für den neuen Job: „Ich werde meine breitgefächerten Kontakte nutzen“ - jene, die er in seiner Zeit als Minister gewonnen habe. Sein Verhältnis zum Internet umschrieb Guttenberg so: „Ich bin der Macht des Internets persönlich ausgesetzt gewesen, erst in diesem Jahr. Und ich erkenne und wertschätze dessen Fähigkeit, jene an der Macht zur Verantwortung zu ziehen.“

Der Mann, der einst mit einem Foto in „Mir-gehört-die-Welt“-Pose auf dem New Yorker Times Square für Furore sorgte, gab sich in Brüssel betont ruhig, fast unterkühlt. Am Montag beantwortete Guttenberg angespannt und beherrscht die bohrenden Fragen der Journalisten. Zum verbalen Gegenangriff ließ er sich nicht provozieren. Auf härteste Vorwürfe reagierte er mit gezwungenem Lächeln.

Selbst auf die Frage, ob Internetfreiheit „copy und paste für alle“ bedeute, blieb der Politiker gelassen und absolut kontrolliert. Auf dem Brüsseler Parkett kann Guttenberg seine Stärke als weit gereister und gut vernetzter Staatsmann ausspielen. In fließendem Englisch umreißt er die neue Aufgabe. Nur einmal wechselte Guttenberg ins Deutsche: „Der Sache tut es dann gut, wenn man mit Inhalten überzeugen kann. Und das ist meine Aufgabe, und das will ich tun.“

Als ehrenamtlicher Berater hat Guttenberg nun einen ähnlichen Posten wie sein CSU-Kollege, der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber. Der berät EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso beim Bürokratieabbau. Sein Job ist bis Ende 2012 befristet - für Guttenberg gilt: Ende offen.

Ob er nun öfter ein Gastspiel in Brüssel geben wird, sagt Guttenberg nicht. Ein Büro oder Mitarbeiter bekommt der ehrenamtlich Aktive in der EU-Hauptstadt nicht: „Mein Stützpunkt sind und werden die Vereinigten Staaten sein, wo einige der wichtigen Akteure sind.“