Analyse: Kein normaler Gipfel für Angela Merkel

Berlin (dpa) - Für Angela Merkel ist dieser G7-Gipfel etwas Besonderes. Aber eher im negativen Sinne. Erstmals seit 16 Jahren träfen sich die Staatenlenker führender Industrienationen wieder ohne Russland.

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Das sagt die Kanzlerin im Bundestag kurz vor ihrem Abflug nach Brüssel mit einem Unterton des Bedauerns. Das sei natürlich kein normaler Gipfel, stellt sie klar. Aber wer wie Moskau mit der Annexion der ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel Krim gegen das Völkerrecht verstoße, habe kein Platz in dieser Wertegemeinschaft. Fragt sich, wie lange diese gefährliche Spaltung dauern wird.

Im nächsten Jahr hat Deutschland die Gipfel-Präsidentschaft. Damit liegt eine Hauptlast auf Merkel, aus G7 wieder G8 zu machen und Russlands Präsidenten Wladimir Putin zurück in den Kreis mit den westlichen Industrienationen zu holen. Alles andere könnte auf Dauer womöglich eine Belastung für den Weltfrieden werden. „Damit kommt große Verantwortung auf uns zu“, sagt Merkel zur Ausrichtung des Gipfels 2015 in einem Luxushotel am Rande der bayerischen Alpen.

Ein Foto einer wiedervereinten weltumspannenden Politfamilie mit ihren Mitgliedern aus den USA, Kanada, Japan, Frankreich, Italien, Großbritannien, Deutschland - und eben Russland würde Merkels internationales Ansehen und ihren Ruf als Strippenzieherin weiter mehren. Nur, wie soll das gehen? Und dann noch in dem Tempo?

„Wir werden diese Annexion niemals akzeptieren“, sagt US-Präsident Barack Obama am Mittwoch in Warschau. Und Merkel betont: „Wir haben einen langen Atem, wenn es darum geht, Freiheit, Recht und Selbstbestimmung auf dem europäischen Kontinent durchzusetzen.“

Schwer vorstellbar, wie sich mit Putin das Rad auf der Krim innerhalb eines Jahres zurückdrehen lassen könnte. Zumal der Westen noch mit Wirtschaftssanktionen droht, sollte Moskau nichts gegen die Destabilisierung in der Ostukraine unternehmen. Merkel warnt: „Wir haben diese Muster schon vorher auf der Krim gesehen.“

Es gebe aber auch ermutigende Zeichen wie den Teilrückzug russischer Kräfte von der Grenze zur Ukraine, bekräftigt sie. Und beteuert abermals: „Wir wollen eine enge Partnerschaft.“ Am Freitag trifft sie bei den D-Day-Gedenkveranstaltungen in Frankreich erstmals seit dem Anschluss der Krim an Russland im März wieder persönlich auf Putin. Womöglich ist die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg mit Millionen Opfern auf allen Seiten eine Chance der Wiederannäherung.

Und noch ein ganz anderes Problem kann Merkel in Brüssel oder Frankreich ansprechen - und zwar mit Großbritanniens Premierminister David Cameron. Er will den Luxemburger Jean-Claude Juncker nicht als EU-Kommissionspräsidenten akzeptieren.

Bemerkungen in Politik und Medien, dass sein Land, das ohnehin nicht in der Eurozone ist, dann eben aus der Europäischen Union austreten solle, hält Merkel für „grob fahrlässig“. Großbritannien habe viel für Europa getan - vor allem im Zweiten Weltkrieg. Und es sei eben so manches Mal mühsam und anstrengend, Kompromisse in der EU zu schließen: „Gute Beschlüsse in Brüssel sind selten schnell zustande gekommen.“

Das Verfahren für die Einigung auf einen EU-Kommissionspräsidenten sei aber im Vertrag von Lissabon eindeutig geregelt. „Wir brauchen Zeit, und die haben wir, und die nutze ich“, stellt Merkel klar. Sie war in Deutschland unter massiven Druck geraten, weil sie sich erst fünf Tage nach der Europawahl zu Juncker bekannt hatte.

Wie sie Cameron überzeugen will, dass Juncker als Spitzenkandidat der siegreichen Konservativen auch Kommissionspräsident werden muss, ist offen. Der Luxemburger zeigte sich über den Kurznachrichtendienst Twitter aber schon mal optimistisch: „Ich bin zuversichtlicher denn je, dass ich der nächste EU-Kommissionspräsident sein werde.“