Analyse: Keine Atempause für die Agrarbranche

Hannover (dpa) - Zum Atemholen kommt Niedersachsens neuer Landwirtschaftsminister Christian Meyer derzeit kaum. Erst der Pferdefleisch-Skandal, dann die falschen Bio-Eier und nun auch noch mit Schimmelpilz belastetes Futtermittel.

Erst zehn Tage im Amt, muss der Verfechter einer Agrar-Wende von den Grünen schon wieder über Missstände in der Landwirtschaft berichten.

„Ich bin seit Dienstag letzter Woche im Amt. Ich habe seitdem drei Skandale“, sagt sein Staatssekretär Udo Paschedag. Die Opposition hält sich weitestgehend bedeckt, reichen doch die Wurzeln der jüngsten Turbulenzen in die Regierungszeit von Schwarz-Gelb zurück.

Seit Wochen gibt es Warnungen und Hinweise, am Freitag tritt das Ministerium an die Öffentlichkeit. Der Fakt: Über den niedersächsischen Hafen Brake kommen aus Serbien 45 000 Tonnen vergifteter Mais. 35 000 Tonnen können noch gestoppt werden. Der Rest wird zu Tierfutter verarbeitet und an die Höfe geliefert. Tausende Tonnen Futtermais, der mit Schimmelpilz befallen ist, könnten Kuhmilch vergiftet haben. 10 000 Tonnen wurden in Niedersachsen verarbeitet und deutschlandweit geliefert. An eine Gefahr für die Verbraucher glauben Experten dennoch nicht.

Für Paschedag ist der Vorfall ein erneutes Indiz für den Preisdruck in der Branche. „Es zeigt einfach, dass es auch ein Stück weit an dem System liegt. Denn der Futtermittelimporteur muss sich natürlich fragen lassen, warum er so etwas aus Serbien hierher holt. Ich vermute einmal, es geht über den Preis: Je billiger, desto schöner. Und weniger über die Qualität“, sagt er.

Seit Jahren protestieren Milchbauern immer wieder wegen zu niedriger Literpreise, über die kaum die Kosten gedeckt werden könnten. Bei der Interessengemeinschaft Landvolk in Niedersachsen stößt die Äußerung des Staatssekretärs aber auf Unverständnis. Natürlich versuchten die Bauern, die Kosten möglichst gering zu halten, so Sprecherin Gabi von der Brelie. Klar sei aber auch: „Wer Futter kauft, erwartet sichere Futtermittel.“

Für die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft in Niedersachsen ist die Aussage des Staatssekretärs indes nicht aus der Luft gegriffen. Es müsse rasch und konsequent geprüft werden, ob der belastete Mais gar mit Wissen von Händlern oder Tierfutterherstellern in den Verkehr gebracht worden sei. Die Gemeinschaft kritisiert undurchschaubare agrarindustrielle Wege von Billigst-Lebensmitteln und auch Futtermitteln zu Discounter-Preisen.

Landwirtschaftsminister Meyer war erst am Vortag über den Schimmelpilz-Mais informiert worden, während die Experten in seiner Behörde dem Verdacht schon länger nachgingen. Warnungen gab es aber genug. Die Futtermittelaffäre dürfte dem engagierten Kämpfer gegen Massentierhaltung in seinem Plädoyer für eine Agrarwende bestätigen - und sie dürfte ihm auch in die Hände spielen.