Analyse: Lafontaine hält sich als Linke-Retter bereit

Berlin (dpa) - Oskar Lafontaine hält still. Interviewanfragen zu seiner Rolle in der Partei lehnt der saarländische Fraktionsvorsitzende derzeit beharrlich ab. Stattdessen reden andere über ihn - allen voran der mächtigste Mann in der Partei, Gregor Gysi.

Der Fraktionsvorsitzende sprach am Mittwoch offen an, was sich so mancher in der Partei angesichts schwindender Umfragewerte sehnlich wünscht: Eine Rückkehr Lafontaines in die Bundespolitik.

„Er schließt es für Notsituationen nicht aus“, sagte Gysi. Der Fraktionschef berief sich dabei auf ein Gespräch mit Lafontaine zur Lage der Partei. Welche Notsituation gemeint sein könnte, ließ Gysi offen und beeilte sich zu sagen, dass sie bis jetzt noch nicht eingetreten sei. Eine Debatte um einen Führungswechsel wolle er nicht anstoßen, beteuerte er. „Personaldebatten brauchen wir nicht.“

Ob er sie will oder nicht, mit seiner Aussage schiebt Gysi die Personaldebatte selbst an. Hinter vorgehaltener Hand läuft die Diskussion über den Führungsstil der Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst schon lange. Die Bilanz des ersten Amtsjahres der Doppelspitze halten viele in der Partei für ernüchternd, einige sogar für verheerend. In den Umfragen geht es bergab. Das Themenspektrum ist äußerst schmal geblieben, bei aktuellen Fragen wie der Atompolitik bekommt die Linke keinen Fuß auf den Boden. Die Partei ist immer noch in Ost und West, Fundis und Realos gespalten.

Schlagzeilen produzierte Ernst vor allem mit der Porsche-Affäre um seinen Lebensstil und seine Parteibezüge. Lötzsch sorgte mit einer Debatte über die Rolle des Kommunismus in der heutigen Zeit für Furore. Solange die Wahlergebnisse einigermaßen stimmten, war das alles nicht so schlimm. Spätestens mit den bitteren Niederlagen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist die Erfolgssträhne der Linken aber jetzt beendet. Lötzsch und Ernst haben jegliche Verantwortung dafür bereits am Wahlabend von sich gewiesen. Auch das kam in der Partei nicht gut an.

Auch wenn Lafontaine sich jetzt ruhig verhält - ganz unschuldig ist er an den Spekulationen über seine Person nicht. Bereits vor einem Monat hatte er in einem Interview der „Saarbrücker Zeitung“ verkündet, dass er wieder gesundheitlich fit sei. „Ich hatte Glück. Ich habe den Krebs wahrscheinlich überwunden“, sagte er. Der Krebs war der Grund dafür, warum der 67-Jährige vor einem Jahr den Parteivorsitz abgab. In Talkshows, auf Wahlkampfveranstaltungen und auf Parteikongressen blieb er aber präsent und stahl seinen Nachfolgern nicht selten die Show.

Gysis Vorstoß sorgte am Mittwoch trotzdem vor allem für Irritationen. „Zu sagen, dass wir keine Personaldebatte wollen und gleichzeitig über eine eventuelle Rückkehr Oskar Lafontaines zu reden, ist ein Widerspruch an sich“, sagte Gysis Stellvertreter Dietmar Bartsch dem „Berliner Kurier“.

Einen Präzedenzfall gibt es für eine Rückkehr Lafontaines allerdings schon. 2002 scheiterte die Vorläuferpartei der Linken, die PDS, bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Parteivorsitzende Gabi Zimmer trat nach heftigen innerparteilichen Auseinandersetzungen zurück. Lothar Bisky, der die Partei bereits zwischen 1993 und 2000 geführt hatte, kehrte als Integrationsfigur an die PDS-Spitze zurück, vollzog zusammen mit Lafontaine die Fusion mit der westdeutschen WASG und blieb für insgesamt sieben weitere Jahre im Spitzenamt.