Analyse: London - Bollwerk gegen Bankenregulierung
London (dpa) - London erweist sich immer mehr als Bremsschuh bei der Regulierung der europäischen Banken. Die Politik zum Premier Cameron wird von den mächtigen Banken massiv unter Druck gesetzt. Die Banken wollen keine neuen Gesetze und Cameron will keinen Wegzug von Banken.
Von der Themse kommt massiver Gegenwind, wenn es um die Regulierung der europäischen Finanzmärkte geht. Die Politiker in der Downing Street fürchten, dass ihnen bei allzu großer politischer Einmischung auf dem Finanzsektor die entscheidende Melkkuh zum Füllen der klammen Steuerkassen stiften geht. An entsprechenden Drohungen mangelt es nicht.
Die größte europäische Bank, HSBC, hat in den vergangenen zwölf Monaten mindestens zwei Mal erklärt, eine Verlegung des Hauptquartiers nach Asien wäre zumindest überlegenswert. HSBC, deren Vorstandschef Stuart Gulliver ohnehin schon öfter in Hongkong als in London arbeitet, hat eine Bilanzsumme, die die Wirtschaftsleistung von ganz Großbritannien übersteigt.
Einen solchen Verlust kann sich das notorisch klamme London nicht leisten. Cameron, der sich in seiner Wirtschaftspolitik eigentlich stärker auf den Aufbau von Industrie- und Technologiebetrieben konzentrieren will, bekommt zusätzlich Druck von den Eurokritikern in den eigenen Reihen. Jüngst wollten 81 Abgeordnete aus seiner Fraktion sogar ein Referendum zum EU-Austritt durchsetzen. Und selbst die sozialdemokratische Opposition kämpft für die City. „Wir müssen in der Europäischen Union für die britischen Interessen kämpfen“, schrieb der Finanzexperte der Labour-Partei, Ed Balls, in einem Gastbeitrag für den „Evening Standard“.
„Obwohl ich für eine Finanz-Transaktionssteuer bin: Es nur in Europa zu tun und große Finanzzentren wie New York außen vor zu lassen, bedeutet ein Risiko, echten Schaden in der Londoner City anzurichten“, schreibt Balls weiter. Seinen Politiker-Kollegen jenseits der Insel lassen solche Worte die Haare zu Berge zu stehen. Wollten nach dem G20-Gipfel von 2009 in London im Angesicht der schlimmen Finanzkrise nicht alle an einem Strang ziehen? Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat seinem Kollegen Cameron wutentbrannt gar schon einmal bedeutet, er möge doch einfach „den Mund halten“.
Die britischen Banker haben mit ihrer Lobbyarbeit innerhalb Großbritanniens Erfolg. Eine lange angekündigte Bankenreform, die Investmentbanking vom Einlagengeschäft trennen soll, wurde etwa erfolgreich bis zum Jahr 2019 gestreckt. Die Europäer verlieren dagegen allmählich die Geduld mit ihren störrischen Nachbarn aus dem Königreich. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will die Transaktionssteuer in Europa inzwischen ohne die Briten einführen. In der City würde das möglicherweise Beifall auslösen - auf Kosten anderer Finanzplätze wie etwa Frankfurt.
Aber es geht nicht nur um die Steuer: Die Vertreter der G20 wollen auf dem Gipfel in Cannes auch über das Drehen an vielen kleinen Stellschrauben reden, etwa um Leerverkäufe bei Kreditausfallversicherungen einzudämmen. Cameron braucht einen langen Atem, um seine City schadlos durch die Gemengelage zu steuern. Die Denkfabrik Centre for Economics and Business Research (CEBR) schätzt in ihrem neuesten Bericht, dass über das Jahr allein im Londoner Finanzsektor 27 000 Jobs verloren gehen werden - und nicht bis 2014 nicht mehr ersetzt werden können. Gut gebucht sind dagegen Sprachkurse für Mandarin.