Griechenland-Referendum untergräbt G20-Gipfel
Cannes/Berlin/Athen (dpa) - Die Griechenland-Krise macht den G20-Gipfel für Europa zur Nagelprobe seiner Verlässlichkeit.
In angespannter Atmosphäre kamen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy und europäische Spitzenpolitiker mit dem griechischen Premier Giorgos Papandreou am am Vorabend des Gipfels im französischen in Cannes zusammen.
Diplomaten sprachen von großem Unmut über den griechischen Alleingang, das Volk über das jüngste Rettungspaket der EU abstimmen zu lassen. Die Partner seien tief schockiert. Papandreou sei aufgefordert worden, einen Zeitplan für das Referendum zu nennen. Es gebe einen gewissen Druck auf ihn, berichteten EU-Diplomaten.
Das Krisentreffen war bemüht, Wege zu finden, die völlig verunsicherten Anleger und Märkte wieder zu beruhigen.
Geht es nach Papandreou, sollen die Griechen im Dezember oder Januar über den EU-Rettungsplan in einem Referendum abstimmen. Allerdings kämpft er ums politische Überleben und will sich am Freitag einer Vertrauensabstimmung im Parlament stellen.
Vor dem Krisentreffen forderte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso politische Stabilität in Griechenland. Die EU habe ein Hilfsprogramm aufgelegt, „um diese Maßnahmen zu verankern, ist es ausgesprochen wichtig, Stabilität in dem Land zu haben.“
Der französische Premierminister Francois Fillon sagte: „Die Griechen müssen schnell und ohne Doppeldeutigkeit erklären, ob sie - ja oder nein - ihren Platz in der Eurozone behalten wollen.“
Merkel und Barroso erwarteten von Papandreou ein starkes Signal für die Fortsetzung von Reformen und eine Sanierung des Haushalts.
Teilnehmer der sogenannten Frankfurter Runde vor dem Gipfel waren neben Merkel Sarkozy, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker und die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde. Der frisch gebackene EZB-Chef Mario Draghi, eigentlich auch Teil der Runde, ließ sich wegen anderer Termine vertreten.
Merkel zeigte sich - ebenso wie Sarkozy - verärgert, nicht rechtzeitig von Papandreou ins Bild gesetzt worden zu sein. „Im Interesse der europäischen Zusammenarbeit hätte sie (die Bundesregierung) es vorgezogen, wenn die griechische Regierung Deutschland und ihre anderen europäischen Partner darüber vorher informiert hätte“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.
Papandreou beharrte in Athen trotz internationaler Kritik auf seinem Versprechen einer Volksabstimmung. Damit stellte er den mühsam zwischen den Euro-Staaten und den Banken ausgehandelten Schuldenschnitt infrage. Allerdings blieb unklar, worüber genau er - vermutlich im Dezember oder Januar - abstimmen lassen will. „Das Referendum wird eine klare Nachricht für den Euro sein“, sagte er lapidar. Die Brüsseler Gipfel-Beschlüsse der vergangenen Woche sind auch von anderer Seite bedroht: So erklärte der deutsche Bankenverband, der freiwillige Forderungsverzicht der privaten Geldgeber Griechenlands liege bis zu dem Referendum auf Eis.
Die 17 Staats- und Regierungschefs der Euroländer hatten unter anderem ein neues 100-Milliarden-Euro-Paket für Athen beschlossen. Private Gläubiger wie Banken und Versicherer hatten angekündigt, auf die Hälfte ihrer Forderungen zu verzichten. Anfang 2012 sollten nach dem ursprünglichen Plan alte gegen neue griechische Anleihen getauscht werden.
Der G20-Gipfel versammelt am Donnerstag und Freitag die Staats- und Regierungschefs der führenden Volkswirtschaften der Erde. Merkel will die Gelegenheit nutzen, sich mit US-Präsident Barack Obama zu treffen. Obama hofft, dass die G20 Signale zur Ankurbelung der Weltwirtschaft setzen, wovon auch die flaue US-Konjunktur profitieren könnte.
12 000 Polizisten und Sicherheitskräfte sind für das Treffen in dem Seebad an der Côte d'Azur aufgeboten.
Die Gipfelrunde will Beschlüsse fassen, die die Macht der größten Banken beschneiden. Zudem stehen Währungsstreitigkeiten und die Machtverteilung im Internationalen Währungsfonds auf der Agenda.
Das andere Sorgenkind Europas, Italien, als G8-Mitglied auch nach Cannes geladen, versucht weiter fieberhaft seine Kritiker zu beruhigen. Italien gilt nach Griechenland als Zeitbombe für die Stabilität der Eurozone, wenn das Land sich nicht endlich reformiert und für mehr Wachstum sorgt. Berlusconi kam am Abend in Rom mit seinem Kabinett zu einer Sondersitzungen.