Analyse: Nach der Krise ist vor der Krise
Frankfurt/Main (dpa) - Aufatmen rund um den Globus: Die USA haben sich in letzter Sekunde vor dem Abgrund gerettet. Doch die Probleme sind nur verschoben: Schon im Januar wird das Gezerre um Schuldengrenze und Haushaltsbudget wieder anfangen.
Die Supermacht setzt mit ihrem politischen Hickhack das Vertrauen der Anleger aufs Spiel.
Wie geht es an den Börsen weiter?
Anleger haben den Haushaltsstreit abgehakt - vorerst. Trotz der Freude über die Übergangslösung in letzter Minute hätten viele Anleger bereits die künftige Entwicklung im Blick, erklärt Experte Desmond Chua von CMC Markets: „Der Kompromiss bringt nur wenig Zeit, bevor es erneut zu einem Debakel kommen kann.“ Das fröhliche Treiben an den Börsen werde fortgesetzt, die Probleme ausgeblendet, meint Analyst Sebastian Sachs vom Bankhaus Metzler. Die Frage ist nur, wie lange noch. Aus Sicht des Ökonomen Torsten Schmidt vom Essener Forschungsinstitut RWI sind Verbraucher und Investoren bereits nachhaltig verunsichert.
Sind die Probleme gelöst?
Der Kompromiss zur Entschärfung des US-Finanzstreits ist keine Dauerlösung. Die Erhöhung der gesetzlichen Schuldengrenze, ohne die der Supermacht das Geld ausgegangen wäre, stellt die Finanzierung nur bis zum 7. Februar sicher. Der Übergangshaushalt, der die öffentliche Verwaltung am Laufen hält, ist sogar nur bis zum 15. Januar gültig. Dann droht erneut der Stillstand. Das heißt: Schon in den nächsten Wochen müssen sich Republikaner und Demokraten auf eine längerfristige Lösung einigen. Die Fronten bleiben jedoch verhärtet, so dass der Stress für die Anleger schon bald wieder losgehen wird.
Wie lange reicht die Geduld der Investoren?
Trotz Einigung in letzter Minute - die Supermacht ist angezählt. „Der Schaden für die USA und ihre Glaubwürdigkeit ist beträchtlich“, meint Chefanalyst Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank. „In den kommenden Tagen und Wochen wird die Diskussion aufkommen, ob die USA noch uneingeschränkt als Hort der Sicherheit einzuschätzen sind - und das zu Recht“, sagt auch Metzler-Experte Sachs. Sollte das Vertrauen in amerikanische Anlagen schwinden, hätte das auch erhebliche Folgen für deutsche Sparer.
Was bedeutet das für Lebensversicherungen?
Das Geld der Lebensversicherungen steckt vor allem in festverzinslichen Wertpapieren mit guter Bonität, beispielsweise deutschen Staatsanleihen oder US-Bonds. Sollten ernsthafte Zweifel an der Zuverlässigkeit der USA aufkommen, müssten sich die Lebensversicherer von den US-Anleihen trennen. Bei einer Flucht der Investoren in Bundesanleihen würden deren ohnehin schon mickrigen Renditen aber noch weiter sinken. Das dürfte den Druck auf die Lebensversicherer weiter verstärken. Viele Anleger erhalten bereits heute weit weniger Geld als sie sich ursprünglich beim Abschluss ihres Vertrages erhofft hatten.
Was steht Sparern bevor?
Das Sparbuch wirft so gut wie nichts mehr ab, weil die Notenbanken die Zinsen auf Rekordtiefstände gesenkt haben. Mit ihrer Geldflut wollen die Währungshüter die Konjunktur ankurbeln. Ein rascher Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes ist angesichts der schwachen Konjunktur in Europa kein Thema. Bei der US-Notenbank könnte sich der geplante Anfang vom Ende des Billiggelds wegen der Folgen des Haushaltsstreits verzögern. „Die Fed muss nun erst einmal abwarten. Das wird für neue Unsicherheit an den Weltmärkten sorgen“, meint Henrik Enderlein von der Hertie School of Governance. Die Ratingagentur Standard and Poor's (S&P) schätzt den ökonomischen Schaden durch den zweiwöchigen Zwangsurlaub in der öffentlichen Verwaltung auf 24 Milliarden Dollar (knapp 18 Mrd Euro). Erste Ökonomen haben bereits die Konjunktur-Prognosen für die USA gesenkt.