Analyse: Neue Hoffnungen und Erwartungen im Iran

Teheran (dpa) - Es war nach Mitternacht im Iran und die meisten Iraner hatten schon geschlafen, als das Atomabkommen in Wien besiegelt wurde.

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Umso glücklicher waren sie, als sie am nächsten Morgen in den Nachrichten das offizielle Ende des Atomstreits mitbekamen. Besonders die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen sorgte für Freude.

„Das iranische Volk hat in dieser Zeit sehr viel Geduld gezeigt“, sagte Präsident Hassan Ruhani. Wegen des Atomstreits und der damit verbundenen Sanktionen war die eigentlich ölreiche Nation in eine Wirtschaftskrise geraten. Besonders der Ölexport, das Haupteinkommen des Landes, war massiv eingeschränkt. Die nationale Währung war zeitweise nur noch die Hälfte wert. Die Menschen mussten fast zehn Jahre lang den Gürtel enger schnallen.

„Wenn Ruhani tut, was er verspricht, wird alles besser“, sagt eine 48-jährige Hausfrau in Teheran. Der hat den Menschen versprochen, dass er die neuen wirtschaftlichen Perspektiven nach den Sanktionen für ein besseres Leben der Iraner nutzen wird. „Hoffen wir es, versprochen wurde ja bis jetzt viel“, sagt der Bauarbeiter Rahim.

„Ruhani muss nun handeln, Worte alleine bringen jetzt nichts mehr“, sagt ein Politologe in Teheran. Das Land hofft nach dem Ende der Sanktionen in erster Linie, wieder mehr Öl und Gas zu verkaufen. Die Infrastruktur soll modernisiert werden. Das Transportministerium plant ein Milliardengeschäft mit Airbus und hat angeblich schon 114 neue Flugzeuge bestellt. Sie sollen die über 40 Jahre alten Boeing-Maschinen ersetzen.

Neue Zeiten werden auch in der Politik erwartet, schon bald sogar. Das Atomabkommen und die gute Stimmung im Land könnten den Reformern um Ruhani zu einem Sieg bei den Parlamentswahlen im nächsten Monat verhelfen. Gleichzeitig wäre dies das vorläufige Ende der Hardliner im Iran, die seit zwölf Jahren das Parlament dominieren. Mit einem Sieg der Reformer und der dann sicheren Wiederwahl Ruhanis wären sie bis 2021 weg von der politischen Szene.

Das Atomabkommen hat auch außenpolitisch schon erste Wirkungen gezeigt. „Wir waren einst die Bedrohung, jetzt aber sind wir der neue potenzielle Partner“, sagt der iranische Diplomat Mohammed Ahani-Amineh. In der Syrien-Krise und im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat ist der Iran schon ein anerkannter Partner des Westens.

Auch ein militärischer Zwischenfall mit US-Marinesoldaten im Persischen Golf, der zu einer internationalen Krise hätte führen können, endete nach nur 24 Stunden friedlich und diplomatisch. Der „Große Satan“ USA und der „Schurkenstaat“ Iran üben sich in Diplomatie. „Daraus sollten wir alle lernen“, schreibt Außenminister Mohammed Dschawad Sarif auf seiner Twitter-Seite.

Das Abkommen hatte auch ein positives juristisches Nachspiel. Zum ersten Mal wurden amerikanische und iranische Gefangene ausgetauscht. Vier seit Jahren im Iran wegen Spionageverdacht inhaftierte Amerikaner mit iranischen Wurzeln wurden gegen sieben Iraner ausgetauscht. Genauso wie damals im Kalten Krieg zwischen amerikanischen und sowjetischen Gefangenen. „Das war ja fast wie in Steven Spielbergs Film „Bridge of Spies“ (Der Unterhändler)“, sagte ein iranischer Journalist.

Ruhani braucht für diese neue Politik auch die Unterstützung des Westens, sonst überrennen ihn wieder die Hardliner, warnen Beobachter. Aber auch mit ihm ist der Iran noch weit davon entfernt, ein idealer Partner für den Westen zu werden. Ruhani will Israel weiter nicht anerkennen und unterstützt anti-israelische Gruppen. Menschenrechte im Iran bleiben auch mit ihm weiterhin ein kontroverses Thema. Ein westlicher Diplomat sieht das jedoch pragmatisch und meint: „Ein schlechter Freund ist immer noch besser als ein guter Feind.“